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Es war einmal … so können viele Opern anfangen, aber bei diesem Werk trifft es wirklich zu. Franz Schreker hat dieses Märchen und das Libretto ab 1915 selbst geschrieben und sich der damalig neuartigen Freudschen Assoziationen bedient. Es geht um die Gier nach Gold und die menschlichen und metaphysischen Triebe nach erotischer Anerkennung, die in allen Gesellschaften stattfinden und in den Abgrund ziehen.
Einer Königin ist ihr Schmuck gestohlen worden, und sie fällt in eine tiefe Depression. Ihre Schönheit ist dahin, ebenso ihr Lebenswille und ihre Fruchtbarkeit. Da rät der Hofnarr dem König, den Schatzgräber Elis aufzusuchen, der kann mit seiner Laute als Wünschelrute Schätze aufspüren. Gesagt, getan. Der Troubadour findet den Schmuck im Wald bei der Leiche eines Edelmanns und händigt ihn der schönen Wirtstochter Els aus – die allerdings den Mord an dem Edelmann beauftragt hatte, und das nicht zum ersten Mal. Dennoch gelingt es dem Hofnarren, Els zu überzeugen, der Königin den Schmuck zurückzugeben. Aber die Wahrheit über Els‘ Intrigen ans Licht kommen, wird sie vor dem Galgen gerettet, indem sie mit dem Hofnarren verheiratet und vom Hofe verbannt wird. Im Epilog siecht Els dahin, da erscheint noch einmal der Troubadour Elis und singt sie in den Tod, um danach genauso mysteriös wieder zu verschwinden.
Christof Loy, der schon sechs Inszenierungen mit großen Erfolgen an der Deutschen Oper gebracht hat, unter anderem Leoš Janáčeks Jenufa, Erich Wolfgang Korngolds Das Wunder der Heliane und Riccardo Zandonais Francesca da Rimini, widmet sich nun diesem vergessenen Opern-Schlager der 1920-er Jahre. Immerhin wurde Der Schatzgräber ganze 354 Male nach der Uraufführung 1920 in Frankfurt in über 50 Opernhäusern in Europa aufgeführt. Loy lässt seinen Bühnenbildner Johannes Leiacker das Märchen in ein Einheitsbühnenbild setzten – edler schwarzer Marmor erinnert an die Art-Deco-Paläste der 20-er Jahre. Barbara Drosihn entwirft passende elegante Roben für die Damen und Smoking und Uniform für die Herren des Chores, die das Geschehen in der Einstudierung von Jeremy Bines kommentieren.
Die Geschichte erzählt Loy als mondänes Salonstück, als psychologisches Drama anstatt als düsteres Märchen. Auch eine ästhetische Orgie darf sein, nach dem Motto „jeder mit jedem“. Es ist eine gediegene, zeitweilig monotone Inszenierung, bei der es wirklich darauf ankommt, dass der Zuschauer das Libretto – dank Übertitel – gut verfolgen muss, um die vielen Wendungen der Handlung mitzubekommen.
Foto © Monika Rittershaus
Die Partitur von Franz Schreker erinnert an die aufwühlende Romantik am Ende des 19. Jahrhunderts für großes Orchester. Wogende chromatische Harmonien fließen dahin. Emotionen werden lautstark orchestral umgesetzt bei einer Betriebstemperatur, die immer kurz vor dem hysterischen Anfall steht. Marc Albrecht gelingt es, die volle Spannweite der Emotionen transparent und farbig im Orchester umzusetzen, immer einen Tick zu laut, so dass es eine Legitimation für die Sänger ist, fast immer an der Rampe zu singen. Dennoch ist er ein Glücksfall für dieses Stück, denn er meistert den Spagat zwischen opulenter Klangsinnlichkeit und impressionistischer Lyrik.
Die Besetzung wird diesem Werk homogen gerecht, ohne dass man einen Sänger als absolut überragend einschätzen kann. Sopran Elisabet Strid gibt der Els, eine der schwärzesten weiblichen Figuren in der Opernliteratur, eine Allerweltsaustrahlung, die beängstigend ist – so eine Figur könnte wirklich die Kellnerin aus dem eigenen Lieblingsrestaurant sein. Tenor Daniel Johansson verkörpert den mysteriösen Troubadour Elis mit Eleganz, wenngleich er einige Schwierigkeiten in der Höhe hat. Der König, der seiner stummen Königin das Lebensglück wieder geben wird, wird von Bassbariton Tuomas Pursio überzeugend gesungen. In der Rolle der Königin glänzt die Tänzerin Doke Pauweis für mit außergewöhnlicher Eleganz und Wendigkeit. Als Narr sticht der Tenor Michael Laurenz mit guter Diktion und markanter Stimme hervor. Bassbariton Thomas Johannes Mayer wird der Rolle des Vogtes stimmgewaltig und schauspielerisch gerecht.
Es ist der Deutschen Oper Berlin hoch anzurechnen, dass sie immer wieder eine echte, vergessene Rarität auf die Bühne bringt und vollwertig – nicht nur konzertant – aufführt. Immerhin bedarf es auch der Sänger, die möglicherweise ihre Rolle neu einstudieren müssen, ohne eine Garantie zu erhalten, sie jemals wieder einsetzen zu können. Natürlich, dass ist auch der Reiz einer solchen Produktion – mal etwas Neues für die aktuelle Generation der Opernbesucher. Aber es ist für den Zuschauer ebenso erfreulich, Werke gezeigt zu bekommen, in denen Regie und Dirigent das Werk ernst nehmen und es eine wahrnehmbare Zusammenarbeit zwischen Bühne und Graben besteht.
Das Premierenpublikum würdigt diese Bemühungen der Regie, Sänger und des Orchesterteams mit überwältigendem Applaus.
Zenaida des Aubris