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MITRIDATE, RE DI PONTO
(Wolfgang Amadeus Mozart)
Besuch am
4. Dezember 2022
(Premiere)
Das Genie Mozart ist hinlänglich bekannt, und doch überrascht es allemal. Zum Beispiel mit dieser seiner ersten Oper seria Mitridate, re di Ponto, die der gerade mal 14-jährige Wolfgang Amadee nach einer Vorlage von Jean Racine und dem Libretto von Vittorio Amedeo Cigna-Santi 1770 zur Uraufführung in Mailand gebracht hatte. Obwohl er sich Rat und Inspiration bei dem älteren Freund und Mentor Josef Mysliveček geholt hatte, ist das Werk schon ganz Mozart, mit virtuosen Arien und einem abschließenden Quintett, dass gut in die musikalische Mode des Barocks passte.
Während die Staatskapelle mit Christian Thielemann durch Japan tourt, bringt die Staatsoper die vierte Ausgabe der Barocktage. Dabei wurde die Regie für Mitridate an ein japanisches Team vergeben. So kommt jetzt ein mythologisches Fernost nach Berlin.
Mithridatis, König von Pontos, ist ein Herrscher der Antike, der einen Hass auf den römischen Imperialismus hat und dabei sowohl das Glück seiner Familie wie das seines Volkes aus den Augen verliert. Überraschend kehrt er von Kriegszügen zurück, geschlagen von den Römern und mit Rache im Herzen. In seiner Abwesenheit haben seine beiden Söhne Sifare und Farnace schon die politische Macht aufgeteilt und ebenso auch um die Gunst der Braut des Königs, Aspasia, rivalisiert. In der Abfolge von drei Akten wird über Liebe, Verrat, Loyalität und Vergebung gesungen. Obwohl es mit dem Suizid von Mitridate endet, ist es doch ein Happy End insofern, als Liebe, Vergebung und Menschlichkeit siegen.
Nach einem ersten kurzen Bild von einem düsteren Schlachtfeld wandelt sich die Bühne in eine atemberaubende, vierstöckige, pyramiden-ähnliche Konstruktion von Junpei Kiz und Eri Fukazawa. Die Ebenen kann man begehen, und die Tapetentüren sorgen für schnelle Verwandlungen. Das erste Motiv ist das Reliefbild eines kriegerischen Helden, gefolgt von einem Bambushain bis hin zu einer atemberaubenden Landschaft mit Kirschblüten und Fuji-Berg. Alles meist in einem leuchtenden, goldenen Licht von Irene Selka getaucht. Dazu die glänzenden, von Samurai-Rüstungen für die Herren und höfischen Gewändern für die Damen inspirierten Kostüme von Kayo Takahashi Deschene. Gold ist in dieser Produktion sowieso eine symbolträchtige Farbe: Sie steht für Opulenz und Luxus, aber auch für Ewigkeit und damit für Göttlichkeit.
Regisseur Satoshi Miyagi lässt sich von der Tradition des Kabuki-Theaters inspirieren, wie er selbst sagt. Die Sänger reduzieren und stilisieren ihre Bewegungen auf ein Minimum. So bekommt jede Geste eine besondere Bedeutung und erzeugt eine stark theatralische, irreale Wirkung. Während der Arien erstarren die Sänger oft zu tableaux vivants und lassen so den Fluss der Musik seine dynamische Wirkung entfalten.
Foto © Bernd Uhlig
Miyagi hat eine klare stilistische Haltung, und sein Konzept nimmt universale, kulturelle Ausmaße an, wobei Mitridates Asien gegen Marzios Europa kämpft. Anstelle von Handlungen wird der Konflikt vor allem durch Kostüme dargestellt: Samurai-ähnliche Rüstungen für die einen, einfache westliche Kleidung für die anderen. Doch während Mozarts Oper auf einer unbefangenen, positiven Note endet, schließt Miyagi seine Inszenierung mit einer Warnung, indem er zur dunklen Eröffnungsszene zurückkehrt, in der es keinen goldenen Palast mehr gibt und die Bühne in ein düsteres Schlachtfeld verwandelt ist.
Aber zu den Sängern: Mitridates erster Auftritt ist eine formidable Kavatine, die von tragischem Stolz gezeichnet ist. Tenor Pene Pati tritt sie mit einer berückend schönen Mittelstimme an, die leider durch eine sehr verengte Höhe jegliche Wirkung verliert. Im Laufe des Abends jedoch findet er wieder zu sich und der menschlichen Würde, die ihm Mozart zuteilt.
Als die begehrte Aspasia behauptet Sopran Ana Maria Labin ihre Autorität und ihr Prestige durch sichere Koloraturen und samtige Klangkultur. Ihr Status als Königin ist nie untergegangen, sondern hat sich vielmehr mit ihrer Position als verliebte Frau überschnitten. Ebenso Angela Brower in der Hosenrolle des Sohnes Sifare, die mit ihrem klangvollen Mezzo und starker Bühnenpräsenz überzeugt. Der vierte Hauptdarsteller, Sohn Farnace, wird von Countertenor Paul-Antoine Bénos-Djian mit sensibler Phrasierung dargestellt und auch in seiner Charakterentwicklung im Laufe der Oper treffend nachgezeichnet. Als junge Prinzessin Ismene überzeugt Sarah Aristidou mit glasklarem Sopran von ihrer Unschuld und Reinheit.
Marc Minkowski dirigiert das von ihm gegründete Ensemble Les Musiciens du Louvre in einem ziemlich hochgefahrenen Graben. Er respektiert die Partitur des jungen Mozart und nimmt sich dessen Bemühungen zu Herzen, Szenen mit teilweise einfachen Merkmalen zu definieren. So kann er nuanciert und auf jedes Detail achtend eine Klangwelt erzeugen, die den Sängern förmlich entgegenschwebt und ihnen doch als zuverlässige Stütze dient.
Insgesamt eine Produktion, die das Repertoire der Staatsoper bereichert. So findet es auch das Premierenpublikum, das die Sänger, Dirigent, Orchester und das gesamte Regieteam mit überbordendem Applaus überhäuft. Ein wohlverdienter Erfolg.
Zenaida des Aubris