Kulturmagazin mit Charakter
Aktuelle Aufführungen
LOVE YET AGAIN
(Diverse Komponisten)
Besuch am
9. September 2022
(Premiere am 8. September 2022)
Seit 1929 ist das Berliner Theater im Delphi ein beliebter Ort für Aufführungen. Damals für Stummfilme mit Live-Musikbegleitung und Samtbestuhlung; heute für Produktionen, die immer außergewöhnlich anmuten und sich gut in einem leicht bröckelnden Ambiente machen. So auch die aktuelle Produktion des QEnsembles Love yet again – (noch) eine Liebesgeschichte. Alte Musik trifft auf Elektronik und Tanz. Die Liebe ist ein ewiges Thema und eben diese allumspannende Emotion, die unser aller Leben beflügelt und verdammt, wird hier besungen und betanzt.
Dafür schickt Regisseur Carlo Nevio Wilfart seinen Hauptdarsteller – den Engel mit den wunderschönen großen weißen Flügeln – erstmal in eine dunkle Ecke der leeren Bühne. Ein Rauschen, vielleicht ist es das Blut in unseren Venen, wird immer lauter, bis der Engel überraschend die kurze Arie von Alessandro Scarlatti Infirmata Vulnerata in wohlklingendem Countertenor singt: schwach und von liebender Sehnsucht, verwundet ist die Seele … es folgen Arien von Händel und Vivaldi, das Gedicht von Ingeborg Bachmann Eine Art Verlust und endet im 21. Jahrhundert mit der Uraufführung von 31 oder die Macht der Liebe von Andreas Arend, 2021 komponiert und basierend auf Händels Cantate Mi Palpita il Cor. Arend nimmt hier das Fragment Nr. 31 von der altgriechischen Dichterin Sappho und arbeitet es in Händels Kantate ein. Hier wird das Phänomen erzählt, wie die Liebe körperliche Beeinträchtigungen und unkontrollierbare Reaktionen in Körper und Geist auslöst. Die Liebe hat das Potenzial, unser Leben komplett zu verwandeln, sei es in positiver oder negativer Form: ob Verbindung oder Trennung. Liebe ist die Kraft, die die menschliche Kommunikation steuert.
Foto © O-Ton
In dem etwa achtzig Minuten langen Programm ist Valentina Villaseñor die Liebende und Liane Sadler die Geliebte. Sie begegnen sich am Küchentisch, präparieren einen Salat, nehmen eine Mahlzeit ein, ganz alltägliche Aktivitäten. Die Emotionen – verkörpert von Leopold Nicolaus und Sophie Longmuir auf der Barockgeige, Ian Carlos Herrera auf der Barockbratsche, Mikel Elgezabal am Barockcello und Leon Jänicke auf der Theorbe und Barockgitarre – schwirren um sie herum. Sadler drückt ihre Emotionen auf der Traversflöte, Villaseñor auf dem Cembalo aus. Ebenso auch der Engel von Edu Rojas. Er ist immer präsent, besingt die Liebe und gibt ihr physischen Ausdruck durch getanzte Emotionen, die ihre Wurzeln im klassischen Ballett haben.
Alois Späth kontrolliert Klanglandschaft und Live-Elektronik. Unsichtbar für das Publikum hat Edward Ananian-Cooper die musikalische Leitung.
Selten ist die Liebe so leichtfüßig und doch bittersüß ausgedrückt worden wie hier. Außer, dass die Verständlichkeit der Texte – wie so oft heutzutage – sehr schlecht ist, bringt sich das junge Ensemble mit viel Engagement und Spielfreude ein. Besonders hervorzuheben ist die Leistung von Countertenor und Tänzer Edu Rojas, der wirklich das Herz der Liebe darstellt.
Das Publikum würdigt die Aufführung wärmstens. Man darf gespannt sein, was sich das QEnsemble als nächstes ausdenkt.
Zenaida des Aubris