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Erinnerungen an Dean Reed

THE DEAN OF GERMANY
(Claas Krause, Christopher Verworner)

Gesehen am
17. April 2021
(Premiere/Stream)

 

Neuköllner Oper, Berlin

Die Neuköllner Oper in Berlin hat sich was Neues einfallen lassen: eine Art Biopic-Show in sieben Episoden, frei zugänglich auf dem YouTube-Kanal der Neuköllner Oper und auf deren Facebook-Seite. In diesen sieben Episoden wird das komplexe Leben des amerikanischen Rockstars Dean Reed beleuchtet: Er hat sich freiwillig ab 1966 in die Sowjetunion begeben und ab 1973 in Ostberlin gelebt. Zwar hat er nie seine amerikanische Staatsangehörigkeit aufgegeben und auch dort fleißig seine Steuern gezahlt, aber die große Karriere hat er in seinem Heimatland nicht gemacht. Erst, als er von seiner Schallplattenfirma nach Südamerika auf Tournee geschickt wurde, kam der Erfolg.  Besonders in Chile ließ er sich vom sozialistischen Denken überzeugen und wurde fortan als Roter Elvis bekannt – und stand sogar vor dem echten auf Platz 1 der Charts. Das war im Dezember 1961.

Reed startete 1966 eine echte Erfolgskarriere in der Sowjetunion. Gab innerhalb von zwei Monaten 39 Konzerte in acht Städten – inklusive Moskau und Leningrad. Als erster Amerikaner brachte er Rock ’n Roll, Country und Folk der Jugend der Sowjetstaaten, spielte sechs LP und zehn Singles ein, die sich millionenfach verkauften. Als er 1971 das Ostdeutsche Model Wiebke Dorndeck kennenlernte und später heiratete, zog er nach Ostberlin. Hier drehte er fünf Filme, die seinen Ruhm vervielfachten. Die erste Ehe hielt nicht lange, es folgte eine weitere mit der Schauspielerin Renate Blume. Es wurde ihm nachgesagt, er wäre ein Spion oder Agent, selbstverständlich war er aktenkundig sowohl beim KGB, CIA und der Stasi.  1986 hat er vermutlich Selbstmord begangen – aber so ganz sicher ist man sich da nicht, obwohl es einen Abschiedsbrief gab.

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Nun hat die Neuköllner Oper das Leben dieser schillernden – und vergessenen – Persönlichkeit zum Anlass genommen, sieben Episoden von je 30 Minuten zu drehen. In jeder dieser Episoden wird die Figur Dean Reeds von einem anderen Schauspieler oder Sänger interpretiert. Regisseur Fabian Gerhardt moderiert diese Casting Show und sagt selbst, es sei keine klassische Theateraufzeichnung. Aufgrund des Erfolges des Stückes Iron Curtain Man aus der letzten Saison, die sich mit der Biografie des Stars befasste, wolle man jetzt etwas kreieren, das spezifisch für den Livestream konzipiert ist. Es ist ein ironischer Verweis auf das Casting-Genre, eine Mischung aus Musical, Schauspiel, Monolog und Drama. Daraus sind sechs Episoden entstanden, jeweils mit einem berühmten Dean-Reed-Song. Die siebte Folge ist eine Zusammenfassung und Abstimmung durch das Publikum, in der der ergreifendeste oder beliebteste Dean-Reed-Interpret gekürt wird – ohne, dass es in ein Look-Alike-Wettbewerb abdriften soll.

In der ersten Episode, Virus of Freedom, spielt Sophie Euskirchen den jungen Dean Reed, gerade in Hollywood aus dem ländlichen Colorado angekommen. Eine gelbe Treppe im Hintergrund ist Symbol für das Auf und Ab seines Lebens. Auf einer oberen Plattform ist das Verworner-Krause-Kammerorchester, kurz VVKO, mit Posaune, Cello, Bass, Drums und Schlagwerk zugange und setzt die musikalischen Akzente. Reed nimmt Schauspielunterricht beim legendären Coach Paton Price, der prompt erklärt: Du bist eine leere Hülle und probiert, ihm dramatisches Leben einzuhauchen. Es entsteht ein erster Hit Although the summer’s gone, eher eine Ballade mit silber-durchwirkter Traurigkeit. Dean Reed ist im Selbstfindungsmodus …

Jede weitere Folge lehnt sich lose an den Ereignissen im Leben von Dean Reed an.  Aber im Prinzip will die Reihe die Frage beantworten: Wer war Dean Read eigentlich? Wir sind gespannt, wie es witzig, spritzig, schräg und mit tollen Perücken weitergeht. Hier gibt es die Termine und den kostenlosen Zugang zu den „Spielstätten“.

Zenaida des Aubris