O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Matthias Baus

Aktuelle Aufführungen

Liebesfest für alle

COSÌ FAN TUTTE
(Wolfgang Amadeus Mozart)

Besuch am
13. Oktober 2021
(Premiere am 3. Oktober 2021)

 

Staatsoper Unter den Linden, Berlin

Pandemiebedingt wurde in der letzten Saison die zweite Oper – Le nozze di figaro – dieser Trilogie vorgezogen. Nun jetzt die eigentlich erste Folge – Così fan tutte. Im nächsten Jahr wird dann der dritte Teil – Don Giovanni – vorgestellt. So zumindest erklärt Regisseur Vincent Huguet sein Konzept im Programmheft: Das Leben besteht aus drei Akten, in Così wird die Initiation, die Jugend und Lehrzeit der Liebe besungen. In Nozze folgt das Eheleben, die dazugehörigen Freuden aber auch die dazugehörige midlife crisis. Don Giovanni wird dann über die Reifezeit bis zum Tod erzählen. So war Nozze in den 1980-ern angesiedelt, Così findet in den hippen späten 1960-ern statt und Giovanni wird in der Gegenwart spielen.  Die Zeiten, in denen ein Regiekonzept auf Anhieb verstanden werden kann, ohne lange Texte lesen zu müssen, scheinen für immer vorbei zu sein.  Zumindest auf deutschen Bühnen.

Zurück zu Così und der Vision des Regisseurs, wie sich die Geschichte in Hippie-Zeiten abspielt. Da räkeln sich nackte Paare am steinernen Strand vor dem angedeuteten Vesuv im Hintergrund von Bühnenbildnerin Aurelie Maestre.  Selbstverständlich wird Hasch geraucht und Statisten in langen, bunten Gewändern bummeln durch das Bild. An dem südländischen Strand machen nun die beiden Paare der Handlung Urlaub. In den ersten Bildern gehören sie noch nicht ganz dazu. Zu städtisch ist ihr Gehabe, Ferrando und Guglielmo sind adrette junge Männer aus konservativen Familien, wie auch Fiordiligi und Dorabella mit Perlenkette und Hut. Die Kostüme von Clémence Pernoud tragen viel zur Verständigung der Charaktere bei. Don Alfonso ist ein soignierter Lebemann in seidenem Morgenmantel, der sich einen Spaß macht und mit der schon zum Minirock übergegangenen Despina schäkert. Nach dem Abgang der jungen Herren – in einem kleinen gelben Schlauchboot – und Despinas Aufforderung an ihre jungen Damen, doch das Leben zu genießen, lockert sich auch deren Gehabe und sie tragen dann die so geliebten wallenden Kleidchen der damaligen Mode. So scheint die Begegnung mit den langhaarigen Fremden keine große Überraschung zu sein und somit ist auch der Kern des Regiekonzeptes erreicht:  Sie erkennen ihre Verlobten und durchschauen auch bald deren Spiel, entscheiden sich aber, mitzuspielen. Das führt dann auch am Schluss zu einer Verkleidung der Damen und einer Verdoppelung der Verwirrungen.

Die Produktion gewinnt durch die Sänger, allen voran Gyula Orendt als ein Guglielmo, der mit kernigem Bariton viel Herz und Spielfreudigkeit zeigt. Federica Lombardis Sopran strahlt mit weichen Klangfarben und ist souverän, musikalisch geführt. Dorabella wird von Marina Viotti mit distinktivem Timbre und Persönlichkeit gesungen. Tenor Paolo Fanales gibt einen sentimentalen Ferrando mit einem sehr schlanken Tenor. Lucio Gallo ist der erfahrene Don Alfonso als Drahtzieher, Schurke und Grandseigneur, der dann doch – zumindest in dieser Inszenierung – von seiner eigenen Schlauheit eingeholt wird. Die Despina von Barbara Fritolli ist stimmlich wie darstellerisch eine Frau mit Erfahrung, keine Unschuld, die von Alfonso so einfach gelenkt werden kann.

Daniel Barenboim steht am Pult seiner erstklassigen Staatskapelle. Er ist seit Jahrzehnten ein ausgewiesener Mozart-Interpret, entscheidet sich hier aber für breite Tempi, die einer konventionelleren Regie gut bekommen wären. Für diese Produktion jedoch, die in den freizügigen 1960-ern angesiedelt ist, wären flottere, pointiertere Tempi dem Stück besser bekommen und hätten ihm wesentlich mehr Schwung und Witz verliehen. Das hätte dem Regiekonzept von Huguet viel geholfen und der gefühlten Trägheit der Aktionen und Emotionen entgegen gewirkt.

Bei jeder Così-Produktion ist immer die Frage, wie stellt sich der Regisseur das Ende vor. Wer bekommt wen? Diese Frage bleibt hier offen. In einem Reise-nach-Jerusalem-Spiel, an dem auch einige Chormitglieder teilnehmen, bleibt es unklar. Nur so viel: Così fan tutti – so machen es alle, Männlein wie Weiblein.

Das Publikum in der fast ausverkauften und normal gesetzten Staatsoper feiert die Sänger, Chor und Orchester mit warmem Applaus.

Zenaida des Aubris