Kulturmagazin mit Charakter
Aktuelle Aufführungen
DIE WALKÜRE
(Richard Wagner)
Besuch am
23. Juli 2021
(Generalprobe)
Ganz auf den im vergangenen Jahr ausgefallenen und auf 2022 verschobenen neuen Ring des Nibelungen will man bei den 109. Bayreuther Festspielen nicht verzichten. Und so verknüpft man eine szenisch drapierte Produktion der Walküre mit drei multimedialen „Annäherungen“ zu den restlichen Teilen der Tetralogie, die am Vormittag und in den Pausen der kompletten Walküre-Aufführungen an den zyklischen Charakter des vierteiligen Rings erinnern sollen. Darunter ein virtueller Drachenkampf Siegfrieds, inszeniert von Jay Scheib, dem Regisseur des nächsten Bayreuther Parsifal. Mit der im kommenden Jahr anstehenden Inszenierung von Valentin Schwarz hat das Ganze nichts zu tun. Anders die Besetzung, die einen musikalischen Vorgeschmack auf das Großereignis bietet.
Da richtet sich der Blick auf den Bayreuther Debütanten Pietari Inkinen am Dirigentenpult, der den Ring zwar schon in Australien und Palermo geleitet hat, als Wagner-Dirigent in Deutschland jedoch noch nicht sonderlich aufgefallen ist. In der Generalprobe entfaltet er einen recht ausgewogenen Klang, irritiert aber durch extrem gedehnte Tempi und entsprechende Spannungseinbrüche, was ihm in der Generalprobe mehr Buh-Rufe einbringt als dem szenischen Provokateur Hermann Nitsch.
Foto © Enrico Nawrath
Was die groß angekündigte Besetzung des Wotan mit dem Bassisten Martin Groissböck angeht, muss unmittelbar nach der Generalprobe umdisponiert werden. Groissböck besticht zwar durch eine brillante Textverständlichkeit und sonore Substanz in den Tiefen. Insgesamt liegt die Partie allerdings zu hoch für seine Stimme, so dass er im Verlauf des Abends immer angestrengter wirkt. Groissböck gibt die Rolle zurück und wird, zumindest in diesem Jahr, durch Tomasz Konieczny ersetzt, dem es nicht an internationalen Erfahrungen mit nahezu allen Wagner-Rollen seines Stimmfachs mangelt.
Mit Lise Davidsen und Klaus Florian Vogt ist das Wälsungenpaar zwar prominent, aber auch unausgewogen besetzt. Vogt mit seiner lyrisch-weichen Stimme kann als Siegmund nicht überzeugen und wird von der gewaltigen Stimme Lise Davidsens gnadenlos überrollt. Eine für die Sieglinde fast überdimensionierte Stimme, mit der die Sängerin auch die Brünnhilde von Iréne Theorin konditionell hinter sich lässt. Keine Wünsche lassen Christa Mayer als Fricka und Dmitry Belosselskiy als Hunding offen.
Die Sänger, allesamt priesterlich schwarz gekleidet, stehen diesmal wie in einem Oratorium an der Bühnenrampe. Starr verharrend, was ihnen angesichts der dramatischen Konvulsionen der Musik und Handlung nicht leichtfällt. Optisch färben zehn Assistenten des Wiener „Blut- und Aktionskünstlers“ Hermann Nitsch mit einer ganzen Batterie an Farbeimern die Bühne in alle Regenbogenfarben ein. Ein Teil der weiß gekleideten Maler lässt die Farben im Hintergrund von oben senkrecht abfließen, ein Teil klatscht die Farbe eimerweise auf den Boden. Mit dezenten Gelb- oder Grüntönen beginnend, dann mit Blau, ab und zu auch schwarz vermischt, bevor am Ende Nitschs Lieblingsfarbe die gesamte Bühne in ein Rotes Meer verwandelt. Beziehungen zur Stimmungslage der Figuren lassen sich bei der Farbwahl durchaus erahnen. Skandalös wirkt das alles längst nicht mehr, bringt aber mehr Leben auf die Bühne als die Klänge aus dem Orchestergraben. Das Problem: Die Walküre hält drei lange Akte bereit, und was im ersten Aufzug noch spannend wirkt, reicht substanziell nicht unbedingt aus, um zwei weitere Akte zu tragen.
Immerhin gibt das Experiment einen Vorgeschmack auf die musikalische Statur des kommenden Rings, wobei in Sachen Dirigat und Besetzung noch einige Stellschrauben nachjustiert werden sollten.
Pedro Obiera