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Aktuelle Aufführungen
STRASZNY DWÓR
(Stanislaw Moniuszko)
Besuch am
16. September 2025
(Premiere am 12. September 2025)
Eine neue Intendanz und ein neuer GMD wollen zur Saisoneröffnung gefeiert werden. So setzt Direktorin Agnieszka Franków-Żelazny mit ihrem künstlerischen Berater, dem gefeierten Bariton Tomasz Koniezny, gleich klare Zeichen: Qualität ist Trumpf!
Ausgesucht wurde ein Werk von dem wohl wichtigsten Opernkomponisten Polens: Stanislaw Moniuszko. Auf polnisch heisst es Straszny Dwór, was sich als Das Gespensterschloss übersetzen lässt. Hier geht es um eine Komödie, die mit viel Tanz, Humor und Herz vor allem ein großes Loblied auf das polnische Zuhause und seine Traditionen singt.
Der Wiener Regisseur mit polnischen Wurzeln, Bruno Berger-Gorski, hat das Werk, 1865 uraufgeführt, in die Gegenwart geholt und nutzt die vielen Möglichkeiten im Libretto von Jan Chęciński, die politischen und soziokulturellen Zweideutigkeiten mit Witz und Ironie auszuloten. Im Zentrum stehen zwei adelige Brüder, Stefan und Zbigniew, die gerade aus dem Zweiten Weltkrieg in ein zerstörtes Wroclaw zurückkehren, so Berger-Gorski. Geschichtlich absolut korrekt: über die Kriegswirren und Schrecklichkeiten rund um die Festung Breslau wird in unzähligen Berichten und Texten berichtet. Mit jugendlichem Ernst haben sich die Brüder geschworen, niemals zu heiraten, um ganz dem Vaterland respektive dem Wiederaufbau der Stadt zu dienen. Doch es kommt anders. Sie lernen die feschen Schwestern Hanna und Jadwiga kennen und natürlich kommt der heilige Schwur ins Wanken. Die Brüder holen das Geld ihres Vaters aus dem verrufenen Gespensterschloss ab, und erfahren so manchen vermeintlichen Spuk, der sich als handfester Streich entpuppt. Am Ende triumphieren Liebe, Mut und eine kräftige Portion Selbstironie – der Schwur ist dahin, und die Hochzeiten stehen ins Haus.
Foto © Karpati & Zarewicz
Berger-Gorski und sein Dramaturg Tadeusz Krzeszowiak bebildern die Szenen mit etlichen Details, die die Zweideutigkeit des Librettos zulässt – immerhin entstand die Oper kurz nach dem gescheiterten Aufstand 1863 gegen Russland und wurde von der damaligen Zensur gleich abgesetzt. Vieles ist in symbolischer Sprache gehalten: Brüder, die für das Vaterland kämpfen; Musiker in Fetzen, die in den Trümmern des Opernhauses Wroclaw spielen – eben wie vor genau 80 Jahren, damals mit polnischen und deutschen Musikern, wie es wirklich der Fall war; das Herrenhaus als Sinnbild polnischer Tradition, die grosse Sopranarie der Emanzipation mit Videoprojektionen starker polnischer Frauenfiguren bebildert; der hypokritische Klerus wird mit dem betrunkenen Kardinal und der konservative Adel mit Zarin Katerina und ihrem polnischen Liebhaber karikiert. Eine gewisse bildhafte Überladung ist nicht zu leugnen – so viele Details, die zwar alle ihre Berechtigung haben, gehen aber unter bei einem einmaligen Besuch.
Musikalisch steckt das Werk voller nationaler Farben: Mazurka, Polonaise und Krakowiak treiben den Puls. Das Corps de Ballet der Oper Wroclaw setzt eben diese Melodien, dank der Choreografie von Bożena Klimczak und Kostümen von Magdalena Dąbrowska, in eine Ensemblenummer voller farbenfroher und ausdrucksfreudiger Energie um.
Foto © Karpati & Zarewicz
Die spielfreudige polnische Besetzung lässt wirklich keine Wünsche offen: allen voran die beiden jungen Brüder, gesungen vom Tenor Piotr Buszewski in der Rolle des Stefan und den Zbigniew vom Bass Paweł Horodyski. Das sind zwei Stimmen, von denen man sicherlich viel in den nächsten Jahren hören wird – sowohl stimmlich wie darstellerisch erstklassig. Die Schwestern werden von Sopran Hanna Sosnowska-Bill in der Rolle der Hanna – die ihre sehr anspruchsvolle Emanzipationsarie meisterhaft bewältigt – und Mezzo Aleksandra Opała als Jadwiga mit viel Melos verkörpert. Beide Sängerinnen passen stimmlich und dramaturgisch gut zu den Männern und ergeben ein harmonisches Quartett.
Die wichtigen Nebenrollen sind ebenfalls sorgfältig ausgesucht und von Berger-Gorski dramaturgisch in ihre Rollen eingewiesen: Die resolute Tante Cześnikowa wird mit imposanten Mezzoklängen von Barbara Bagińska mit viel Selbstironie dargestellt. Der redselige Diener der beiden Brüder, Maciej, von Jacek Jaskuła als volksnahe Seele, die dann doch im vierten Akt den Aufstand gegen die Machthaber probiert. Die Brüder unterdrücken diesen Ausbruch – auch hier, in der Deutung Berger-Gorskis – ein vermeintlicher Hinweis auf die Historie, die von der Sympathie des Adels mit den diversen Besetzern Polens über die Jahrhunderte hinweisen will. Bass Sebastian Rutkowski als der Jäger Skohuba, singt eine innige Arie über den Schnupftabak mit warmherzigem Bass.
Moniuszko komponiert viele lyrische Ensembleszenen, die Herz und Wärme verströmen. Man spürt bei jedem Takt, dass der Komponist das polnische Publikum mitten ins Herz treffen wollte: patriotisch im Unterton, aber leichtfüßig in der Form. Das setzt auch der große Chor, einstudiert von Anna Gabrowska, mit viel Liebe zur individuellen Detailarbeit von Berger-Gorski um.
Auch der neue Generalmusikdirektor des Hauses, Mirian Khukhunaishvili, versteht die Intentionen des Komponisten: Moniuszkos Musik besitzt einen unverwechselbaren Charme. Die Melodien sind volkstümlich und eingängig, die Tanzrhythmen tragen die Handlung wie selbstverständlich voran. Besonders eindrucksvoll ist, wie er große patriotische Gefühle in scheinbar leichte Unterhaltung kleidet. Obwohl die Oper für Khukhunaishvili eine Premiere ist, führt er die Musiker seines Orchesters mit straffenTempo und Klarheit, ohne je in Sentimentalität zu versinken. Der frische Wind des Aufbaus, des kulturellen Selbstbewusstseins Polens ist förmlich zu hören.
Standing ovations für alle Teilnehmer, besonders auch für Dirigent und Regisseur, die, obwohl – oder gerade weil – sie Ausländer sind, dem traditionsreichen Werk eine neue Perspektive abgewinnen.
Zenaida des Aubris
Hören Sie hier den Audiobeitrag mit Regisseur Bruno Berger-Gorski.