Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

Andrea Mastroni - Foto © Nicodemo Luca Lucà

Backstage - 3 Fragen/3 Antworten

Musikalische Bildung für alle

ANDREA MASTRONI


Seine Mutter war Kindergärtnerin, sein Vater restaurierte alte Bücher. Als er vier Jahre alt war, schenkten sie ihm eine Kindertastatur, auf der er Cartoon-Melodien nachspielte. Das absolute Gehör trug sicher dazu bei, dass er ein Klarinetten-Studium absolvierte. Das Instrument spielt er heute nicht mehr. Seine Entscheidung, professionell zu singen, fiel, als er während des Philosophie-Studiums den Schubert-Zyklus von der Schönen Müllerin hörte. Im kommenden Jahr stehen zahlreiche Debüts auf internationalen Bühnen an.

Ende Januar kommenden Jahres wird er als Sparafucile an der Metropolitan Opera sein Debüt geben. Gerade wurde in Venedig die Saison mit Aquagrande von Filippo Perocco mit Andrea Mastroni in der Hauptrolle eröffnet. Es läuft gut für den Bass. In Opernnetz erzählt er, was sich in Italien dringend ändern muss. Seinen Gesang wird man dort wohl nur noch selten hören.

Opernnetz Sie sind auf praktisch allen wichtigen Bühnen Europas aufgetreten. In dieser Spielzeit stehen ihre Debüts in Covent Garden und bei der Metropolitan Opera in New York bevor. Reine Routine oder ist das doch noch mal ein besonderer Schritt?

Andrea Mastroni 2002 habe ich begonnen, im Theater zu singen. Nachdem ich umfassende Erfahrungen in den so genannten Provinztheatern gesammelt - was eine lebensnotwendige Schule für einen jungen Sänger ist - habe ich in den letzten sieben Jahren damit begonnen, die großen europäischen Bühnen zu betreten – und mir damit viele Träume erfüllt! Ein großes Gefühl und ein unfassbares Geschenk. Dabei habe ich stets gewissenhaft darauf geachtet, dass ich meine Stimme als Basso profondo unterstütze. Das hat mit der Zeit großartige Früchte getragen. Mit annähernd 38 Jahren kann ich jetzt die Früchte einer umfassenden Kenntnis meines Repertoires einsammeln. In dieser Saison werde ich an zwei der wichtigsten Bühnen der Welt debütieren. Das erfüllt mich mit Glück und Stolz. An der Metropolitan Opera werde ich den Sparafucile in Rigoletto singen – den ich bereits 220 Mal gemeistert habe – und an der Royal Opera in London gebe ich an der Seite des großen Paata Burchuladze und Ildar Abradzakov den Carlo V in Don Carlo und danach auch Rigoletto. Ich bin davon überzeugt, dass ich jetzt meine größte künstlerische Herausforderung erlebe und werde ihr mit Begeisterung begegnen.

Opernnetz Als einer der großen italienischen Sänger müssen Sie erleben, wie die Oper in Italien langsam stirbt. Sehen Sie das mit Wut, Trauer, Schmerz? Oder konzentrieren Sie sich lieber auf Ihre Karriere, um die italienische Oper weiter in die Welt zu tragen?

Mastroni Meine Position bezüglich der Oper in Italien ist leider ziemlich bitter: Ohne in banale Rhetorik zu verfallen, sage ich einfach, dass man sich nicht wundern darf, wenn in einem (schönen) Land, in dem, vor allem aus pädagogischer Sicht, Musik nicht integraler Bestandteil der kulturellen Ausbildung und des Studiums für jedem Einzelnen einbezogen ist. Ein Musikstudium würde eine höhere Sensibilität in der Wahrnehmung hervorbringen, und das wäre wichtig für die kulturelle Entwicklung von allen. Ebenso wäre es dann möglich, nicht nur diese Musik wirklich zu genießen, sondern auch die Wertschätzung des Genres zu steigern, inklusive auf die finanziellen Notwendigkeiten hinzuweisen. Leider existiert diese Ausbildung im öffentlichen Schulsystem nicht mehr. Meine Wahl war es, mit wenigen Ausnahmen nur außerhalb Italiens zu singen, wo es noch Respekt und gute Arbeitsbedingungen für uns Künstler gibt sowie eine große emotionale Wertschätzung der Öffentlichkeit. Irgendwie fühle ich mich als Träger dieses musikalischen und melodramatischen Erbes, der ja einen guten Teil meines Repertoires beträgt. Tatsächlich hilft mir das, mich noch mehr in unserer Belcanto-Tradition zu verankern, und gibt mir den Ansatz, mich mit Repertoire zu beschäftigen, welches scheinbar weit weg davon liegt.

Opernnetz Welche Träume/Wünsche werden Sie nach dieser Spielzeit noch haben? Wie soll die Karriere sich weiter entwickeln?

Mastroni Nach dieser Saison werde ich weiter an meiner vokalen Entwicklung arbeiten. Meine Stimme ist in einer Wachstumsphase, die mich auf einer ganz besonderen Art und Weise in das deutsche Repertoire führt.  Außer Osmin und Sarastro will ich mich unbedingt auch den Wagner-Rollen widmen! Aber jetzt ist erstmal mein Debüt als Boccanegra im März 2017 in Monte Carlo und Paris dran. Parallel will ich auch gerne meine Ursprünge in der Barockmusik aufrechthalten: ich habe ein Aufnahmeprojekt mit Händel-Arien – geschrieben für Montagnana – vor.  Auch die Beweglichkeit der Stimme von Rossini, der immer ein wichtiger Teil meiner Studien war, muss bewahrt werden.

Die Fragen stellte Michael S. Zerban, die Übersetzung besorgte Zenaida des Aubris.