O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

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Kölner Fest für Alte Musik 2018

Auf Liebe und Tod

CUPID & DEATH
(Adrian Schvarzstein)

Besuch am
10. März 2018
(Premiere)

 

Kölner Fest für Alte Musik, Trinitatiskirche

Das Kölner Fest für Alte Musik beginnt wieder. Die Vorfreude ist groß, das Programm vielversprechend. Und Thomas Höft, der Künstlerische Leiter, ist stolz wie Oskar, dass er in diesem Jahr Emma Kirkby als Gast begrüßen darf. Gleich am Eröffnungsabend tritt die Grande Dame der Alten Musik auf. Und verzaubert gleich mal das Publikum. Aber davon später mehr.

Die Eröffnung findet nicht etwa im Zentrum für Alte Musik statt, sondern in der Trinitatiskirche, einem Ort, den die Evangelische Kirche gern für kulturelle Veranstaltungen zur Verfügung stellt. Die Anordnung scheint konventionell. Im Kirchenschiff sind Stuhlreihen aufgestellt. Im Altarraum ist die Bühne eingerichtet, rechts davon ist das Podium für das Orchester aufgebaut. Bei der Ausstattung setzt Suzanne Harkämper kräftige, farbenfrohe Symbolik, in die sich immer auch das Schwarz der Trauer mischt. Auf dem Programm steht Cupid & Death, eine Masque aus dem Jahr 1653, die Matthew Locke und Christopher Gibbons komponiert haben. Unter einer Masque versteht man ein Bühnenspiel, das aus einer Abfolge von gesprochenen Dialogen, langen Ballettsuiten, Rezitativen, Songs und Chören besteht. Die Masques fanden in Privaträumen statt und bezogen das Publikum ausdrücklich mit ein. Wochen im Voraus bereitete sich das Publikum auf diese Ereignisse vor, ließ Tanzmeister nach Hause kommen, um die Reihentänze einzustudieren. Im Köln des Jahres 2018 eher eine ungewöhnliche Konstellation.

POINTS OF HONOR

Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Auf Basis dieser Masque hat Adrian Schvarzstein einen Abend entwickelt, der sich – wie man es von seinem Fugit gewöhnt ist – erst im Nachhinein so recht erschließen will; um dann umso nachhaltiger zu wirken. So stellt sich zu Beginn heraus, dass es sich durchaus nicht um eine konventionelle Anordnung handelt, denn es gibt gar keinen Zuschauerraum. Das Publikum ist die Hochzeitsgesellschaft, die der bevorstehenden Trauung beiwohnt. Eine eher aufdringliche Hochzeitsplanerin verteilt noch bevorzugte Plätze, ehe endlich das Orchester hereingerufen wird. Die Zeremonie könnte jetzt eigentlich beginnen, wenn es nicht noch einen Festchor gäbe, der zunächst einmal mit Freudengeheul und israelischen Folklore-Liedern Einzug hielte. Dann stellt sich heraus, dass der Pastor doch glatt die Terminüberschneidung mit einer Beerdigungsfeier übersehen hat. Hier also treffen Krieg und Frieden – das diesjährige Motto des Festivals – zusammen. Die Hochzeit als Beginn turbulenter Zeiten und die Beerdigung als Symbol des ewigen Friedens. Mit dem Sarg tritt auch der Tod in die Kirche ein. Es beginnt eine wüste Abfolge von Trauer- und Freudenszenen, die auch weitere Tote zur Folge haben und schließlich mit dem arabischen Liebeslied Lamma bada enden.

Schauspieler, Darsteller und Sänger bekommen eine Menge zu tun, um den weiteren Ablauf in den Griff zu bekommen. Schvarzstein selbst sorgt als Meßner in beängstigend-komödiantischer Weise immer wieder für Ordnung, versucht, weitere schlimme Entwicklungen vergeblich zu vermeiden. Unglaublich der Todesmarsch von Emma Kirkby. Die fragile Person mit der zarten Stimme verkörpert die Original-Oper ebenso wie Bethany Seymour als Braut. Beide entzücken mit ihren feinen Stimmen. Christos Pelekanos beeindruckt als Pastor nicht nur mit seiner körperlichen Erscheinung, sondern vor allem damit, wie er trotz einer schweren Erkältung seinen Bariton angenehm und rollengerecht erklingen lässt. Bassem Hawar spielt nicht nur einen Bräutigam, sondern auch die Djose. Ihm zur Seite steht der Trauzeuge Saad Mahmood Jawad mit seiner Oud. Die Tenöre Lothar Blum als Küster und Mario Lerchenberger als Bestatter bringen ebenso beeindruckende Leistungen wie Sopranistin Maria Jonas als Hochzeitsplanerin und Sängerin – unter anderem des sefardischen Liedes Con la cuba y la furcha, das ursprünglich aus Istanbul stammt und auch heute noch oft auf Türkisch gesungen wird – oder die Brautjungfern Feeda Soubaiti-el-ali und Rita William, die dann auch die drei traurigen Lieder Marabu amsi aus dem Libanon, Nanni Nanni als sephardisches Lied oder das irakische Dillilol anstimmen. In diesem Stück vermischen sich die Kulturen ohne Hemmung und zeigen, was am Ende einer solchen Kombination herauskommt: Bereicherung.

Jūraté Širvyté-Rukštelé als Tod – Foto © O-Ton

Und wenn der Tod so aussieht wie Jūraté Širvyté-Rukštelé, gehe ich gern mit ihm. Wie Kirkby im schwarzen Kostüm, aber liebreizend, sich in Barocktänzen übend, ist sie Versuchung, verführerisches Leben, Trost, Vergänglichkeit und Trauer zugleich. Thomas Höft lässt es sich nicht nehmen, die Auffassung des Ensembles von Aufführungspraxis höchstpersönlich zu demonstrieren, indem er als Elvis-Presley-Karrikatur mit einer Perücke, für die viele Polyester sterben mussten, eine Ballade zum Besten bringt. Hier wird Musiktheater zum überdrehten Ereignis, das die Emotionen hochkochen lässt. Mitglieder des deutsch-arabischen Kulturvereins Altaan treten als Chor Sonne der Aramäer auf. Die irakischen Volkstänze und Lieder, die sie aufführen, müssten vielleicht nicht ganz so folkloristisch anmuten, erfrischen aber als lebensfroher Gruß aus einer Kultur, die mit ihrem Reichtum sonst leider nicht so oft in Erscheinung treten kann.

Zwischendurch glänzt auch immer wieder die eigentliche Musik von Cupid & Death auf, die von der Neuen Hofkapelle Graz, gleichwohl auf historischen Instrumenten, sehr gegenwärtig und frisch vorgetragen wird. Ihr Musikalischer Leiter Michael Hell hat auch gemeinsam mit Hawar für die Arrangements gesorgt, so dass sich zwischenzeitlich auch die Musikkulturen gekonnt vermischen können.

Irgendwann geht auch das schönste Fest einmal zu Ende. Hier versammeln sich alle Beteiligten wieder im Kirchenschiff, um gemeinsam noch einmal mit Lamma bada Funken sprühen zu lassen. In einem wunderschönen Schlussbild ergießt sich wohlverdienter Applaus über ein Fest, das alle Facetten menschlichen Lebens gezeigt hat. Einige der Beteiligten haben sich hier schon mal vorgestellt: Sie werden bis Ende März noch in mancherlei Aufführungen zu erleben sein. Ein Festival, das so prächtig eröffnet wird, kann eigentlich nur noch ein Erfolg werden.

Michael S. Zerban