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HOLÁ! IHR STREITER IN APOLL
(Richard Strauss)

Gesehen am
25. Februar 2021
(Premiere/Livestream)

 

Semperoper Dresden

Die Semperoper Dresden bietet seit dem 25. Februar 2021 auf ihrer Website jeden Donnerstag ab 17 Uhr ein aktuelles künstlerisches Angebot aus den Sparten Oper, Ballett und Konzert. Die wöchentlich bereitgestellten Videos führen an ungewöhnliche Orte des Dresdner Semperbaus, die sich dann überraschend zur Bühne für Musik und Tanz wandeln. Den Auftakt dieser Reihe bildet ein Ausschnitt aus der Richard Strauss-Oper Capriccio. Kammersänger Georg Zeppenfeld singt, am Flügel begleitet von Studienleiter Johannes Wulff-Woesten, aus dem „Konversationsstück für Musik“ die Ansprache des Theaterdirektors La Roche. Diese Arie ist auch ein hoffnungsvoller Ausblick auf die langersehnte Wiederaufnahme der Spielzeit, wenn das Werk dann mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden unter der musikalischen Leitung ihres Chefdirigenten Christian Thielemann zur konzertanten Aufführung kommen soll.

Als Richard Strauss an seiner letzten Oper Capriccio saß, schwebte ihm eine rokoko-haft leichte musikdramatische Summe seines Schaffens und seiner Auseinandersetzung mit dem Genre Oper vor. Heraus kam ein Werk, dass die klassischen Formen der Gattung im parlando-haften Konversationsstil endgültig überwand und ausgesprochen beziehungsreich mit zahlreichen Referenzen an die Welt des Theaters, die Oper und die Eigenheiten seiner Schöpfer spielt. Das Libretto entstand zwischen 1934 und 1941 als Gemeinschaftsarbeit mehrerer Autoren. Die ursprüngliche Idee stammt von Stefan Zweig; auf seinen Wunsch fertigte Joseph Gregor mehrere Entwürfe an. Die weitere Ausführung übernahmen Clemens Krauss und Richard Strauss unter Mitwirkung von Hans Swarowsky. Die Uraufführung fand am 28. Oktober 1942 im Nationaltheater München statt; es dirigierte Clemens Krauss.

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Die Oper spielt im Gartensaal eines Rokokoschlosses in der Nähe von Paris, so um 1775, also zu der Zeit, als Christoph Willibald Gluck an der Pariser Oper tätig war. Der Dichter Olivier und der Komponist Flamand werben um die Gunst der jungen Gräfin Madeleine. Bei deren bevorstehender Geburtstagsfeier wollen sie neue Werke präsentieren, darunter ein kleines Huldigungsfestspiel, das vom Theaterdirektor und Regisseur La Roche einstudiert werden soll. Lebhaft und eifersüchtig wird die Frage diskutiert, ob der Text oder die Musik wichtiger für das Gelingen einer Oper sei. In seiner Ansprache Holà! Ihr Streiter in Apoll entwickelt La Roche seine Vision eines wahrhaftigen wie lebens- und kraftvollen Theaters – und teilt auch gleich noch die Inschrift, die einst auf seinem Grabstein stehen werde, mit. Die Gräfin soll ein Urteil fällen, aber sie kann sich ebenso wenig zwischen den beiden Verehrern entscheiden, wie sie – in einem von beiden geschaffenen Werk – Wort und Musik voneinander trennen kann.

Diese Ansprache des La Roche wird quasi als Appetithappen von Kammersänger Georg Zeppenfeld dargeboten. Er steht, wie ein Theaterdirektor, vorne in der Königsloge der Semperoper und spricht zu einem imaginären Publikum. Mit seinem kräftigen und markantem Bass ist Zeppenfeld stimmlich wie optisch eine große Persönlichkeit, und den La Roche gibt er nicht nur mit viel Leidenschaft und Nachdruck, sondern auch mit sauberer und schöner Deklamation. Am Flügel auf der Bühne wird Zeppenfeld von Johannes Wulff-Woesten begleitet. Auch wenn die Ansprache nur gut dreizehn Minuten dauert, so macht sie doch großen Appetit auf das letzte Werk Capriccio von Richard Strauss, dass, wenn die Pandemielage es zulässt, vielleicht noch in dieser Spielzeit konzertant erklingen wird.

Zu den letzten Klängen am Flügel werden Bilder von der Semperoper mit nützlichen Informationen eingeblendet, die neugierig machen auf einen Besuch dieses wunderschönen Theaters. Und wer sich die Ansprache des La Roche einmal genau anhört, der findet da so die eine oder andere Parallele zur Situation der Theater in der aktuellen Zeit. Da waren Richard Strauss und seine Librettisten schon ganz schön weitsichtig. Und was hat sich Strauss von seinem Librettisten gewünscht? „Verstandestheater, Kopfgrütze, trockener Witz!“

Andreas H. Hölscher