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Fakten zur Aufführung 

PARSIFAL
(Richard Wagner)
10. März 2012
(Premiere)

Landestheater Detmold


Points of Honor                      

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Nach der Premiere

Was sagt uns der Parsifal heute noch? Kay Metzger und Petra Mollérus haben darauf eine schlüssige Antwort gefunden, die sicher über den Tag hinausreicht (5'27).

 

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Kirche von heute

Den Parsifal aktualisieren? Wie soll das gehen? Er ist, was die Kirche angeht, aktueller denn je. So jedenfalls sieht es Kay Metzger, Intendant des Landestheaters Detmold und diesmal Regisseur in Personalunion. Er konzentriert sich voll und ganz auf den kirchlichen und religiösen Aspekt des Werks, lässt ihn in immer neuen Anspielungen einfließen. Dass das Stück in dem pittoresken Theater trotzdem frisch und modern daher kommt, liegt an der fantastischen Arbeit, die Petra Mollérus als Kostüm- und Bühnenbilderin leistet. „Zum Raum wird hier die Zeit“ denkt Mollérus einen Schritt weiter und löst Monsalvat und Klingsors Zaubergarten als verschiedene Orte in einem einzigen Prospekt auf. Im Hintergrund eine weiße, an den Ecken abgerundete „Vielzweckwand“ mit einem ebenerdigen Durchlass, der auch schon mal die Funktion eines Bilderrahmens einnimmt. Darüber eine Empore, die über eine Treppe an der linken Seite erreicht werden kann. Gleich darüber die Abstraktion einer Kirchenabszisse in Form eines Drehzylinders, in dem immer wieder „lebende Bilder“ gezeigt werden. Darunter entsteht ein Nebenraum, der für verschiedene Nebenhandlungen genutzt wird. Stimmung und Ort entstehen durch die Verschiedenartigkeit der wenigen Requisiten und das stimmungsvolle Licht von Walter Muschmann. Den Rest besorgen die kongenialen Kostüme. Gralsritter und Herrenchor kommen in moderner Priesterbekleidung daher, Damenchor und Blumenmädchen bestechen zunächst durch reizvolle, schwarze Unterwäsche mit darüber geworfenen Negligés, aus denen später mit ein paar einfachen Handgriffen Nonnentrachten werden. Die Würdenträger spielen mit den kirchlichen Ornaten. Gespielt wird ständig. Selbst die Verwandlungszeiten stehen nun für Handlung zur Verfügung. Und Metzger gelingt es, plausible, zeitfüllende Handlungsabläufe zu finden, die dem Werk eine zusätzliche Dynamik verleihen. Das verlangt auch Sängerdarstellern und Chören eine Menge ab.

Ein Schreck, als Amfortas all sein Leiden auf die Bühne bringt. Zu echt sieht das aus, was Andreas Jören mit grauem Gesicht und gehetztem Blick den Zuschauern zumutet. Mit weicher, runder Stimme trägt er sein Leid brillant bis in den dritten Aufzug. Christoph Stephinger übernimmt als Gurnemanz die Moderatorenrolle. Dazu passt der weiche und sonore, vor allem aber verständliche Bariton. Den Parsifal zeigt Johannes Harten mit tenoralen Fülle bei unangestrengten Höhen in der Entwicklung vom Tor zum „Heilsbringer“. Brigitte Bauma singt im Rahmen ihrer Möglichkeiten und spielt überzeugend energievoll die Frau zwischen vorübergehendem Aufbegehren und schließlicher Unterwerfung bis zur Selbstaufgabe. Der warme, volle Bass des Dirk Aleschus lässt jedes Wort des Titurel verstehen. Seine urige Verkleidung trägt er im wahren Sinne des Wortes mit Fassung.

Das Großartige an der Choreografie Metzgers ist, dass er die Personenführung bis in die kleinste Rolle wahrnimmt. So reagiert jedes Chormitglied individuell auf die Haupthandlung, sind kleinere Schauspiele am Rande zu sehen, wie die Konkurrenzkämpfe der Blumenmädchen. Rampengesänge und bedeutungsschwangere Gänge auf der Bühne bleiben die Ausnahme. Die Auf- und Abgänge der Chöre sind so kunstvoll angelegt, dass sie als eine einzige gleitende Bewegung in immer neuen Variationen wahrgenommen werden. Stimmlich verzaubern die Chöre in der Einstudierung von Marbod Kaiser mit faszinierender Präzision, ausgeprägter Natürlichkeit und Lautstärkenwechseln, die eine zusätzliche Dramatik ermöglichen.

Dirigent Uwe Sandner ist erst in der zweiten Hauptprobe für GMD Erik Wächter eingesprungen. Mit großer Geste bewegt er das Symphonische Orchester zu Leichtigkeit und Transparenz, verzichtet auf übertriebene Wucht und passt die Musik wunderbar harmonisch an die räumlichen Gegebenheiten an. Ein paar Unsicherheiten bei den Streichern fallen da überhaupt nicht ins Gewicht. Auch musikalisch also ein wunderbarer Abend.

Das findet auch das geradezu außer Rand und Band geratende Publikum. Die bravi im Stehen wollen kein Ende nehmen. Der Geschichte Wagnerscher Musik ist im Lipper Land ein glänzendes Kapitel hinzugefügt worden.

Michael S. Zerban







Fotos: Landestheater/Worms