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Fakten zur Aufführung 

TAGEBUCH EINES VERSCHOLLENEN/ SĀVITRI
(Leoš Janáček/Gustav Holst)
30. Mai 2015
(Premiere)

Oper Köln, Kolumba-Museum


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Von der Kraft der Liebe

Wenn man der langen, zähen Umbauphase des Kölner Opernhauses eine positive Fassette abgewinnen will, dann ist es die erfolgreiche Suche nach alternativen Spielstätten wie dem Palladium, der Trinitatiskirche oder dem Oberlandesgericht. Ein besonderer Coup ist der Oper zum Abschluss der künstlerisch insgesamt eher mäßigen Saison mit dem Einzug in das Kolumba-Museum gelungen. Das älteste Museum Kölns, zugleich das Museum des dortigen Erzbistums, residiert in einem modernen, mehrstöckigen, gerade einmal acht Jahre alten Bau des Schweizer Architekten Peter Zumthor. Im Keller gibt es einen Zugang zu den Ruinen der kriegszerstörten spätgotischen Kolumba-Kirche.

Die Dialektik von alter Trümmerstätte und hochmoderner Spitzen-Architektur bietet glänzende Voraussetzungen für einen Doppelabend mit ebenso subtilen wie eindringlichen Seelenstudien, die die Kölner Oper für zwei kurze, aber immens spannungsgeladene und hoch konzentrierte Raritäten nutzt. Leoš Janáčeks Tagebuch eines Verschollenen ist zwar ein Liederzyklus, strahlt aber eine geradezu opernhaft dramatische Sprengkraft aus. Auch wenn der 21-teilige Liederreigen mehr von der inneren Sehnsucht eines jungen Mannes nach einer verführerischen Zigeunerin handelt und wenig Raum für spektakuläre Inszenierungen bietet, verfehlt die rastlose Suche des Mannes in den Gesteinstrümmern auch szenisch nicht ihre Wirkung. Die junge französische Regisseurin Béatrice Lachaussée, die in der kommenden Saison in Aachen Smetanas Verkaufte Braut inszenieren wird und in Köln bereits mit einer vorzüglichen Produktion von Rihms Jakob Lenz in der Trinitatiskirche überzeugte, führt die authentisch überlieferten Seelenqualen des liebenden mährischen Bauern, der vor Liebeskummer Haus und Hof verlassen hat und von der Familie als verschollen gemeldet wurde, mit Fingerspitzengefühl ebenso unpathetisch wie unsentimental vor Augen. Die Trümmer reichen als sinnstiftende Kulisse völlig aus, so dass Ausstatterin Nele Ellegiers lediglich ein kleines Zelt für die Schattenrisse der angebeteten Zigeunerin hinzufügen musste. Der Tenor John Heuzenroeder vollbringt den Kraftakt, die 21 komplexen, stilistisch denkbar unterschiedlichen Gesänge in Folge mit gestalterischer Intelligenz und expressiver Dichte auch stimmlich beeindruckend zu interpretieren. Gelegentlich tritt Adriana Bastidas Gamboa als ausgesprochen reizvolle Zigeunerin hinzu. Die kolumbianische Mezzosopranistin glänzt anschließend einige Etagen höher vor der schlangenhaft verschlungenen Installation Serpentina von Bernhard Leitner in der Titelpartie der hierzulande kaum bekannten Kammeroper Sāvitri des englischen Komponisten Gustav Holst. Ist von Holst allenfalls der bombastische Orchesterzyklus The Planets geläufig, zeigt sich der Komponist in seiner 1916 entstandenen Oper von einer mystischen Schwerelosigkeit, die an dessen luzide Impression des Neptun erinnert. Leidet die Liebe bei Janáček an Sehnsuchtsqualen, triumphiert bei Holst die Liebe über den Tod. Holst greift, ohne jede imperiale Überheblichkeit eines Engländers, auf einen indischen Stoff zurück, in dem der Tod Sāvitri das Ende ihres Gatten Satyavãn ankündigt. Indem sie den Tod überzeugt, dass ihre Existenz mit der ihres Mannes untrennbar verwachsen ist, können beide dem Ende entgehen.

Auch hier lässt das szenische Team den Raum für sich sprechen. Ein schlichtes, weißes Podest vor der beeindruckenden Skulptur und die Weite des hellen Raums reichen zusammen mit der fast kathedralartig halligen Akustik aus, um der Handlung zeitlich entrückte, unwirkliche Konturen zu verleihen. Die exotisch gekleideten Figuren schreiten fast ausschließlich bedächtig durch den Raum und erreichen ein Höchstmaß an konzentrierter Intensität. Und das betrifft auch die vokalen Qualitäten der drei exzellenten Protagonisten. Neben Adriana Bastidas Gamboa sind hier zwei hoch begabte Mitglieder des Opernstudios zu nennen: Der bis in die höchsten Töne brillant singende Tenor Taejun Sun als Gatte Satyavãn und der mit imposanter Tiefenschwärze ausgestattete Bass von Luke Stoker. Ein aus dem Hintergrund klingendes Vokalensemble unterstreicht die mystische Stimmung.

Kapellmeister Rainer Mühlbach trägt nicht nur am Klavier beim Janáček-Zyklus zum Erfolg der Produktion bei, sondern entlockt dem aus Musikstudenten und Mitgliedern des Gürzenich-Orchesters bestehenden Kammerorchester bei Holst wunderbar delikate Farben.

Ein glänzender Abend in einem faszinierenden räumlichen Umfeld. Das Publikum reagiert ausgesprochen begeistert.

Pedro Obiera

 

Fotos: Klaus Lefebvre