CELAN
(Peter Ruzicka)
29. März 2003 (Premiere)
Staatstheater Mainz
Welttheater
Peter Ruzickas expressive Musik mit Peter Mussbachs
intensiven Texten ist bedrängendes Welttheater über den geschundenen
Teil der Menschheit, die Biografie des verzweifelnden Paul Celan in "sieben
Entwürfen" als ungemein verdichtete Vorlage.
In Mainz ist eine kongeniale Realisierung durch
den nachdenklichen Gottfried Pilz mit erschütternder Wirkung zu erleben:
Pilz inszeniert einen Celan, verfolgt von traumatischen Erinnerungen,
in Schizophrenie endend, dessen Lebenskraft durch das Holocaust-Trauma
und eine feindliche Umwelt zerstört wird. Die Bühne wirkt mit
schwarzer Grundfarbe, eingespielten metaphergleichen Filmen, strukturierenden
Neonbahnen und claustrophobischen Räumen beklemmend bis an die Schmerzgrenze
(wenn sich die Wände zur Gaszelle brutal verengen).
Richard Salter ist der alte Celan: gefangen in Depressionen, mit dem Tod
der Eltern, dem KZ, dem Plagiatsvorwurf, den unbewältigten Beziehungen
zu Frauen das Leiden an der Welt und sich selbst bis zum Verstummen interpretierend:
eine darstellerische und sängerische Leistung, die höchste Bewunderung
verdient. Vadim Volkov steht als junger Celan - beide Rollen ineinander
verwoben - dieser imaginierenden Präsenz kaum nach, wie das gesamte
Ensemble (zwanzig Rollen!) des Mainzer Ensembles höchste Anerkennung
verdient - ebenso wie der ungemein spielfreudige und stimmsichere Chor
(Leitung Sebastian Hernandez-Laverny und André Weiß)!
Emotional erregend mit differenziert eingesetzten
Pauken, Streichern, Flöten - musikalisch von höchster Kraft
und Präzision - präsentiert sich das Philharmonische Orchester
Mainz unter der fulminanten Catherine Rückwardt in beeindruckender
Form.
Vor dem Haus gemahnt ein Kranz an die "ohnmächtige
Wut über den völkerrechtswidrigen Irak-Krieg"; ein von
weither angereistes Publikum kann sich der elementaren Wucht des Geschehens
nicht entziehen - es dauert einige Zeit, bis sich die bewundernde Zustimmung
zu dem epochalen Musiktheater-Ereignis Ausdruck finden kann. Bleibt zu
hoffen, dass bei den weiteren Aufführungen das Mainzer Publikum die
hoch anspruchsvolle Herausforderung angemessen aufnimmt. (frs)
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