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Fakten zur Aufführung 

DAS SCHLAUE FÜCHSLEIN
(Leoš Janáček)
30. Juni 2012
(Premiere am 12. Mai 2012)

Wuppertaler Bühnen


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Der Kreislauf des Lebens

Die durchaus „Fabel-hafte“ Oper endet so, wie sie begonnen hat – nur mit einem wesentlich nostalgisch-beruhigtem Blick im Gesicht des Försters, der in der Natur den natürlichen Kreislauf des Lebens und seine eigene Vergänglichkeit erkennt. Der junge Hüpfer ist der Enkel des ersten Frosches und die junge Füchsin eine Tochter „seiner“ Füchsin.

Die Geschichte von der jungen Füchsin Schlaukopf, die vom Förster des Waldes – vordergründig zur Belustigung seiner Kinder – gefangen wird, sich in der Menschenwelt einiges gefallen lassen muss und sich mit List und einem enormen Freiheitsdrang befreien kann, ist auch eine Geschichte vom Erwachsenwerden und eine wundervolle Liebesgeschichte dazu. Und die findet nicht nur zwischen den Füchsen statt, sondern auch zwischen Mensch und Wild-Tier existiert eine enge symbiotische Beziehung. Die symbolhafte Figur des Mädchens Terynka ist das Bindeglied, eine Figur, von der nur gesprochen wird und die trotzdem eine der bedeutungsvollsten ist, sie ist Angelpunkt der Sehnsucht und Projektionen der Wünsche aller Männer. Kein Wunder, die Füchsin wird mit ihr verwechselt, denn sie vereint alles Weibliche, Geheimnisvolle in einer tierischen Gestalt.

Regisseurin Aurelia Eggers scheint die Samthandschuhe ausgepackt zu haben, wenn sie sämtliche Darsteller äußerst subtil und sanft über die Bühne führt. Sie begreift die emotionalen Konstellationen zwischen den einzelnen Figuren und deutet diese ohne zu überfrachten. Lokalisiert ist das Geschehen in einem alten, halb verfallenen Theater, was zwar zunächst wenig mit dem eigentlichen Wald zu tun hat, aber wunderbar die poetologische Komponente dieser zyklisch angelegten Parabel aufgreift. Nicht umsonst singt der füchsische Verehrer, während er um Schlaukopf wirbt: „Über dich wird man Opern und auch Romane verfassen“. Die Bühne von Stephan Mannteufel funktioniert und ist einfach – sie wird zum natürlichen Lebensraum der Protagonisten. Dabei ist das Element der Schaukel vielseitig einsetzbar und könnte für die Lebensfreude der Füchsin stehen. Veronika Lindners Entwürfe – besonders für die Tiere des Waldes – sind überragend und tragen wesentlich dazu bei, eine märchenhafte Stimmung zu erschaffen. Sie greifen die tierischen Eigenschaften der Träger auf und übersetzen sie in fantasievolle, sprechende und mit märchenhaften Details geschmückte Theaterkostüme wie das der Libelle, des Grashüpfers und der Grille. Herrlich auch die Hühner in federgeschmückten Revue-Outfits. Andererseits bleiben die Kostüme einfach, praktisch und nicht weniger ausdrucksvoll.

Die Entscheidung, eine deutsche Textfassung, angefertigt von Peter Brenner, zu verwenden, ist zwar bei der durchweg guten Artikulation der Sänger ein Gewinn, sollte allerdings auch kritisch betrachtet werden, da Janáček Sprache als einen Bestandteil der Komposition versteht. Zudem ist der Text anscheinend an die Übertragung von Hans Hartlebs für die Inszenierung von Harry Kupfer 1987 in Köln angelehnt, die den Text doch etwas sehr teleologisch deutet. Hier hätte man sich mehr Aufklärung im Programmheft gewünscht.

Die Musikalische Leitung hat Hilary Griffiths, der es schafft, an den richtigen Stellen – nämlich wenn niemand singt – aufzudrehen und die volle Konzentration des Publikums auf das hervorragende Sinfonieorchester Wuppertal zu lenken, das die helle und kompliziert-verspielte Musik Janáčeks vollkommen beherrscht.

Großartiges Sänger-Personal ist zu hören, das bis in die vielen kleinen Nebenpartien stimmig und überzeugend agiert und singt. Da ist zunächst der Chor, der von Jens Bingert so gut vorbereitet ist, dass sich vor allem die Damen ganz auf ihr Spiel konzentrieren können. Die aufgescheuchten Hühner sind einfach köstlich, jede einzelne Darbietung ist mindestens einen Schmunzler wert. Auch der Kinderchor beeindruckt mit sauberem Gesang. Das Füchslein wird von der stimmlich klaren und doch schmeichelnden Dorothea Brandt gesungen, die auch auf darstellerischer Linie das Publikum für sich einnehmen kann. Ihr Spiel macht die Entwicklung von unschuldig-kindlich bis zur selbstbewussten und verführerischen weisen Frau mit. Ihr Gegenstück auf tierischer Ebene ist Joslyn Rechter als Fuchs, die mit etwas schärferem, aber nicht weniger schönem Sopran überzeugt. Als Mensch braucht die Füchsin der Förster – gesungen von Derrick Ballard, der einen nachdenklichen Förster gibt, der ein Wechselbad von Emotionen durchleben muss – und kann. Er beeindruckt zudem mit einer perfekten Artikulation, so dass man getrost auf die wohlgemeinten Übertitel verzichten und sich ganz dem Spiel und dem warmen, präsenten Gesang Ballards widmen kann. Boris Leisenheimer gefällt als Schulmeister und Dackel mit wendigem, aber etwas eindimensionalem Tenor, genau wie Bass Ulrich Hielscher mit schöner Tiefe als Dachs und Pfarrer. Der Wilderer Haraschta, der letztendlich auf der Menschenebene Terynka zur Frau erhalten wird und sie so aus dem verfügbaren gesellschaftlichen Bereich entfernt, eliminiert die Füchsin mit Gewalt aus der Waldgesellschaft. Olaf Haye singt und spielt diesen eigentlichen Grobian mit Raum für mehr Interpretation.

Das Publikum ist ganz bei der Sache und applaudiert mit berechtigtem Jubel für Sänger, Orchester und diese beseelte, herzerwärmende Produktion.

Miriam Rosenbohm

 

Fotos: Uwe Stratmann