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Fakten zur Aufführung 

MANN
(Lothar Schreyer)
15. April 2012
(Premiere)

Wuppertaler Bühnen


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

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Expressionistischer Gruß aus den Zwanzigern

Im Rahmen der Ausstellung Der Sturm. Zentrum der Avantgarde im Von der Heydt-Museum realisiert der Komponist und Dirigent Juan Allende-Blin die Rekonstruktion dieses Bühnenstücks von 1920 für zwei Sänger und Trommel von Lothar Schreyer. Das Konzept Schreyers sieht einen Sprechgesang vor, der genau die Tonhöhe, Dynamik, Sprachrhythmus und auch die Bewegungen der Darsteller festlegt. Notiert ist dieses von Schreyer genannte „Klangsprechen“ ursprünglich in einem eigenen Notensystem, das Allende-Blin für die Umsetzung übertragen hat.

Allein die Sprache und das Wort ergeben die Musik, nur an einigen Stellen von monotonem oder aufrüttelndem Trommeln und rhythmischem Fußstampfen des Mannes unterstützt. Dabei sind Grammatik und Syntax zugunsten des rezitativischen Sprachflusses nahezu aufgehoben. Alliterationen, Assonanzen und semantisch zusammenhängende Brocken ergeben mögliche Assoziationen und Gedankenbilder. Die Bühne ist durch ein weißes Rechteck auf dem schwarzen Boden begrenzt, schwarze Vorhänge verhüllen den Hintergrund. Die beiden Darsteller stecken in zwei bunten Maskenfiguren, die einen Mann und die Erde darstellen sollen, und sind damit auf bestimmte Bewegungen begrenzt. Die mit bunten geometrischen Mustern bedeckten Maskenfiguren haben wechselseitige Ansichten, die je nach Perspektive und durch die Lichtregie Hermann Markards verschiedene Deutungsmöglichkeiten zulassen. Der Mann trägt dabei einen Schild und eine Art Speer mit sichelförmiger Ausbuchtung, ist also als Krieger zu identifizieren. Auch das Libretto lässt aufgrund der Wortwahl eine Verortung in ein männliches, von Brutalität und Sexualität geprägtes Umfeld schließen. Seine Arme und Beine sind nicht von der Maske bedeckt und habe so einen größeren Bewegungsradius. Die Erde wird von einer bis zum Boden reichenden, trapezförmigen Maske dargestellt, die auf einer Art Hals einen Kranz aus Strahlen trägt. Sie kann sich gleitend bewegen und drehen, Flügel lassen sich von innen aus- und einklappen. Ihr weibliches Element wird durch die Wahl des vorherrschenden Kreises auf dem Maskenkörper betont.

Den größten Teil der etwa einstündigen Aufführung muss Marcus Ullmann als Mann alleine bestreiten, die Erde und die Begleitung durch die Trommel bleiben nahezu Requisiten. Der Respekt für Ullman wächst von Minute zu Minute, in der man dem komplizierten Sprechgesang mit syntaktisch und semantisch kaum nachvollziehbaren Wortreihungen lauscht. Die Erde wird von Annette Elster gegeben, die punktgenau ihre Choreographie vollführt und aus dem Inneren der Figur einen geschulten Sprechsopran erklingen lässt. Joachim Büttner unterstützt den Ausdruck dieses Bühnenstückes durch pointiertes Schlagen der Trommeln.

Die Sprachmelodie fließt in einem fast meditativen Rhythmus dahin, so dass das Publikum es tatsächlich schafft, in der intimen dunklen Atmosphäre des Kleinen Schauspielhauses fast eine Stunde wie gebannt zu verharren. Der Applaus gerät anerkennend aber kurz.

Zu erwähnen ist das sehr ausführliche Programmheft, das die Hintergründe dieses außergewöhnlichen Bühnenstückes genauestens aufarbeitet und neben dem Libretto viele Zusatzmaterialien zum Schaffen Schreyers bietet.

Miriam Rosenbohm



Fotos: Gerd Neumann