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Fakten zur Aufführung 

DIE GÄRTNERIN AUS LIEBE
(Wolfgang Amadeus Mozart)
14. Januar 2012
(Premiere)

Wuppertaler Bühnen


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Amor und Psyche

Don Anchise, der Podestà von Lagonero, ist in seine Gärtnerin Sandrina verliebt. Hinter Sandrina verbirgt sich allerdings die Marchesa Violante Onesti, die einst von ihrem Geliebten, dem Conte Belfiore, aus Eifersucht niedergestochen wurde. Belfiore lebt in dem Glauben, seine damalige Geliebte getötet zu haben. Nun schickt er sich an, Arminda zu heiraten, die Nichte des Podestà. Das amouröse Verwirrspiel komplettieren der Cavaliere Ramiro, der von Arminda wegen Belfiore sitzen gelassen worden ist, die Wirtschafterin Serpetta, die es auf den Podestà abgesehen hat und deshalb auf Violante alias Sandrina eifersüchtig ist, und Roberto, der Diener Violantes, der an ihrer Seite ebenfalls einen Gärtner spielt und Serpetta begehrt. Knapp drei Stunden dauert es, bis Violante und Belfiore wieder zueinander finden, Arminda zu Ramiro zurückkehrt und Serpetta Robertos Werben nachgibt. Renommierte Fachleute wie der Kritiker Ulrich Schreiber haben immer wieder auf die Schwächen des Librettos aufmerksam gemacht: 23 Arien stehen lediglich zwei Duette der beiden Hauptpartien, Violante und Belfiore, gegenüber.

Regisseur Tilman Hecker hätte den Stoff als gefälliges Lustspiel umsetzen können. Stattdessen rückt er die seelischen Zustände der Protagonisten und die Art und Weise, wie diese mit ihren Gefühlen umgehen, in den Mittelpunkt seiner Inszenierung. Das auf den ersten Blick konventionell erscheinende Bühnenbild wird schließlich dekonstruiert; Bühnenelemente verschieben sich, das Licht wird mal ab- und wieder aufgeblendet, einzelne Figuren verharren wie eingefroren in ihrer Position oder bewegen sich rückwärts. Auf diese Weise entstehen surreale Traumsequenzen, die den jeweiligen Seelenzustand – Liebeskummer, Eifersucht, Rachsucht, Begehren und andere – fokussieren. Mittels Videoprojektion werden im Hintergrund bereits auf der Bühne gezeigte Handlungselemente visuell wiederholt. Die Ganzheitlichkeit der Gefühle wird somit aus der Zeitlichkeit der Handlung herausgehoben. Auch wenn vielleicht nicht jede Idee sitzt – das Auf- und Abblenden des Lichtes ist manchmal etwas zu viel des Guten – ist Heckers Interpretation der Gärtnerin aus Liebe insgesamt gelungen. Das Herausheben der Seelenzustände mit gleichzeitigem Auflösen der eigentlichen Handlung ist, gerade bei einer Komödie, ein mutiger Ansatz. Dass das nicht langweilig wird, liegt auch an einer gut abgestimmten Personenführung. Daran schließt sich die von Moritz Nitsche gestaltete Bühne an, die permanenten Veränderungen unterworfen ist. Schade, dass es hier zweimal hakt.

Gar nicht oft genug kann man das hervorragend besetzte Ensemble loben. Banu Böke überzeugt als Violante mit einer souveränen Stimmführung, die in ihrer Sensibilität der stillen Tragik der Figur gerecht wird. Christian Sturm, der für seinen Belfiore vom Wuppertaler Publikum enthusiastisch gefeiert wird, ringt der doch sehr indifferenten Figur gesanglich viele Facetten ab. Boris Leisenheimer entgeht der Versuchung, den Podestà mit übertriebenem Pathos zu versehen, und verschafft der Figur so Glaubwürdigkeit. Auch Miljan Milovic weiß als Roberto zu gefallen. Großartig gelingen Arantza Ezenarro die Darstellung der Arminda und Julia Klein die der Serpetta. Mal verführerisch, mal zickig, mal intrigant ist es ein Vergnügen, den beiden zuzuschauen und zuzuhören. Susanne Blattert schließlich schlüpft glaubwürdig in die Hosenrolle des Ramiro und begeistert mit ihrer weichen, vibratofreien Stimme.

Das Sinfonieorchester Wuppertal spielt Mozarts Musik unter der Leitung von Florian Frannek mit fein ausbalancierter Subtilität, wovon vor allem die Sänger auf der Bühne profitieren. Dass das Ensemble, allen voran Christian Sturm, den meisten Applaus erntet, ist keine Überraschung. Regisseur Tilman Hecker muss sich dagegen vereinzelte Buh-Rufe gefallen lassen – zu unrecht, denn die Inszenierung überzeugt durch ihren intelligenten Ansatz, der dem Stück nicht gewaltsam aufgepfropft wird, sondern seine Berechtigung in den Figuren selbst findet.

Sascha Ruczinski



Fotos: Uwe Stratmann