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Fakten zur Aufführung 

DAS RHEINGOLD
(Richard Wagner)
30. November 2013
(Premiere)

Staatstheater Nürnberg


Points of Honor                      

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Vielleicht vom Ende der Welt

Wie eine finstere Voraussage über Wagners Ring-Zyklus steht die Warnung der Urmutter Erda in der vierten Szene des Rheingold: „Alles was ist, endet: Ein düsterer Tag dämmert den Göttern: dir rat’ ich, meide den Ring!“ Auch wenn die Sprache Wagners ein wenig angestaubt wirkt, der Gehalt seines mythologischen Spiels scheint äußerst aktuell: Unsere hoch entwickelte Zivilisation zerstört die Natur, der Kapitalismus mit der Gier nach Geld und ständigem Wachstum vernichtet menschliches Zusammenleben, und die Politik mit ihren ständigen Vertragsbrüchen pervertiert das Vertrauen in jegliche Verlässlichkeit.

So kündet auch schon Das Rheingold von Richard Wagner im Staatstheater Nürnberg packend in prallen, starken Bildern vom möglichen Ende der Welt. Der Vorabend des Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen entführt die vom bewegten Bühnengeschehen gefesselten Zuschauer in eine Welt zwischen märchenhaften Visionen und bruchstückhaft realen Verweisen auf unsere Gegenwart. Die Auswüchse unserer Überflussgesellschaft reißen Wunden in die Natur. Also findet alles statt in einem denaturierten Umfeld, das an einen Recycling-Betrieb mit zerknitterten Plastikfolien und Bio-Abfall erinnert. Die Rheintöchter wühlen sich darunter hervor; in großen Tanks über ihnen befindet sich das Rheinwasser. Alberich, unangenehm aufdringlich, macht sich an die drei Wasserwesen heran; die nehmen ihn nicht ernst, spritzen ihn nass, scherzen mit ihm, beschmutzen ihn, verraten aber ungewollt ihr Geheimnis: Auf dem Grund der Tanks ist ein goldenes Fass verborgen, der Schatz, den sie bewachen sollen, den ihnen aber der Unsympath raubt, weil er sich daraus einen goldenen Ring schmieden will, mit dem er sich die Weltherrschaft erhofft. Dafür verzichtet er gern auf die Liebe. Den Rheintöchtern bleibt nur Wehklagen. Auch die Welt der Götter „oben“ scheint noch irgendwie unfertig möbliert. Wotan und Fricka träumen von Walhall, ihrer Burg. Für deren Erbauung hat Wotan einen Vertrag mit den Riesen geschlossen, allerdings um den Preis von Freia, welche den Göttern eigentlich ewige Jugend und damit Unsterblichkeit garantiert. Als Freia von dem Handel erfährt, stürzt sie empört herein und weigert sich, in die Hände der Riesen, der ungehobelten Typen in blauen Anzügen mit wirrem, langen Haar, zu fallen. Aus dem Dilemma weiß nur der geschäftige Loge, ein subtiler Intrigant und Verächter der Götter, Rat: Er verspricht den Riesen das Gold, das Alberich geraubt hat und mit dem die Weltherrschaft verknüpft ist. Wenn sie das bekommen, geben sie Freia und die Liebe auf. Wotan macht sich also mit Loge auf nach Nibelheim, dem Reich der Zwerge, wo Alberich herrscht und seine Sklaven, goldene nackte Wesen mit Gasmasken statt Gesicht, zur ständigen Arbeit an einem goldenen Palast zwingt. Er quält auch seinen Bruder Mime, stößt ihn herum, führt sich stolz als Machtmensch auf, ist aber dumm genug, auf die List Loges hereinzufallen und sich selbst in eine Kröte zu verwandeln. Da kann ihn Wotan überwältigen; das Spiel erinnert dabei doch stark an ein Kindermärchen, und auch die Szene, als Alberich nun, an einer Schnur gefesselt herumgeführt und schließlich aufgehängt wird, bis ihm der Ring gewaltsam entrissen werden kann, scheint allzu sehr bildlich ausgewalzt. Die übrigen Götter, im Erschöpfungsschlaf unter glitzernden Isolierdecken ruhend, erwachen, die Riesen führen Freia herbei, bedecken sie unter den von den Nibelungen gelieferten Goldbarren. Nur der Ring fehlt noch; den rückt Wotan erst nach der Ermahnung durch Erda heraus. Damit beginnt das Unheil: Die beiden Riesen-Brüder geraten in Streit um dieses Requisit der Weltherrschaft; Fafner ersticht Fasolt, der so etwas wie Regungen für Freia spüren ließ, verpackt die Gold-Beute sorgfältig mit Plastikfolie, zieht damit ab. Nach der Befreiung Freias lässt Donner es blitzen und krachen – auch im Zuschauerraum – und der Champagner darf spritzen. Die Sonne kann nun zur glänzenden Musik als irgendwie unwirklich künstliche Projektion in langen kühlen Strahlen leuchten, Wotan ergreift den Speer, Fricka wirft den unter Plastik-Mänteln zitternden und wehklagenden Rheintöchtern das kitschige und blinkende Zuckerbäcker-Modell von Walhall vor die Füße, es dampft wie so oft zu mächtigen Klängen, und das Götterpaar schreitet in den langsam dunkler werdenden Hintergrund – ein wenig Gutes verheißender Ausblick auf das Kommende…

Diese bildgesättigte, bildverliebte Inszenierung von Georg Schmiedleitner ist in sich konsequent, schießt nur manchmal übers Ziel hinaus, besitzt aber ihre großen Stärken in der lebendigen Personenführung und sinnvollen Rollenzeichnung. Die Bühne von Stefan Brandtmayr mit dem fast ästhetisch wirkenden Unrat deutet die verschiedenen Spielebenen an, oft von Nebel umwabert; die wechselnden Stimmungen werden durch Lichteffekte von Olaf Lundt und durch Videos von Boris Brinkmann unterstrichen, und die Kostüme von Alfred Mayerhofer erinnern mit Ausnahme der exotischen Aufmachung von Erda mit entblößtem Oberkörper und Riesen-Federbusch auf dem Kopf an heutige Kleidung.

Die größte Wirkung der Premiere aber geht von der Musik aus. Marcus Bosch am Pult achtet darauf, die Staatsphilharmonie Nürnberg sängerdienlich, klangschön, recht klar und möglichst transparent musizieren zu lassen. Schon das Vorspiel hebt sanft, dunkel an, entwickelt dann starke Verdichtungen, immer kräftigere Klangballungen, und im weiteren Verlauf wird das Tempo gemäßigt schnell gehalten, heftige Kontraste und schmeichelnde Klangzauberei bieten Höhepunkte. Wenn die Rheintöchter, Woglinde, Hrachuhí Bassánz, etwas scharf am Anfang, Wellgunde, Leah Gordon, ein angenehm „runder“ Sopran, und Flosshilde, Judita Nagyová, ein dunkel timbrierter Mezzosopran, zusammen singen, bilden sie ein harmonisch ausgeglichenes Trio, und selbst als sie ins Wasser eintauchen und darin plantschen müssen, spielen sie trotz immer feuchterer Durchnässung in ihren knappen Glitzerkleidchen äußerst munter. Alberich wird von ihnen ziemlich veralbert und sogar beschmutzt, bis sich die Verhältnisse umkehren und er ihnen ihren Schatz raubt. Dieser Alberich, Antonio Yang, entwickelt sich so vom Außenseiter zum allzu überheblichen Machtbesessenen, sein Verhalten wird immer rücksichtsloser, so dass der Zuschauer bei seinem Scheitern kein Mitleid empfindet. Dagegen begeistert er die Zuhörer mit seinem angenehm kräftigen, aber auch flexibel gestaltenden Bariton immer mehr, besonders bei der langen Verfluchung der Götter. Sein Bruder Mime, Hans Kittelmann, wird von ihm geschunden und herumgestoßen, was zur Färbung dieses etwas flachen Tenors gut passt. Wahre Jammergestalten sind äußerlich die „Riesen“, unbeholfene Schlakse, denen irgendwie der gesellschaftliche Schliff fehlt; dabei ist Fasolt, Taehyun Jun, von vornherein ein Unglücksrabe, sowohl in seinem hilflos bemühten Auftreten als auch stimmlich mit seinem etwas hohl klingenden hellen Bariton, während sein Bruder Fafner, Nicolai Karnolsky, über einen dunklen, sicheren Bariton und abwartendes, umso brutaleres Vorgehen verfügt. Beide passen keineswegs zur blonden, zarten, selbstbewusst auf ihrem Willen beharrenden Freia, Michaela Maria Mayer, die nicht nur durch ihr trotziges Verhalten, sondern auch stimmlich überzeugt. Ihre Schwester Fricka, Roswitha Christina Müller, ist mit ihrem eleganten, energischen Auftreten eine würdige Gattin Wotans, gefällt sehr mit ihrer hellen, dynamischen, kräftigen Stimme und viel Elan. Als hoheitsvolle Erscheinung der Urmutter Erda beeindruckt Leila Pfister durch ihren leicht dunkel timbrierten Mezzosopran. Unter den Göttern erfreut Froh, David Yim, mit hell strahlendem Tenor, und Donner, Martin Berner, ganz in Leder, markiert einen Halbstarken mit angenehmem Bariton. Eine Ausnahme-Erscheinung, auch mit seinem rötlichen Haar, ist Feuergott Loge, Vincent Wolfsteiner, selbstbewusst und schlau in seinen Aktionen, stimmlich hervorragend durch seinen hellen, kräftigen Tenor und noch dazu bestens verständlich. Er scheint in manchem Wotan überlegen; Egils Silins, als Gast kurzfristig eingesprungen, ist in dieser Rolle ein jugendlich männlicher, heldenhafter Göttervater und singt die Partie mit nicht allzu dunklem, aber zu kräftigen Steigerungen fähigen Bariton.

Das Publikum feiert diesen ersten Teil des Rings lange und enthusiastisch, bejubelt vor allem Alberich, bedenkt aber die Regie-Riege mit vielen Buhs. Da darf man auf die Walküre im April gespannt sein.

Renate Freyeisen

Fotos: Ludwig Olah