Tatort Rokoko
Der Choreograf des Abends, Jo Stromgren, versucht in dieser Neuinszenierung mit dem vielversprechenden Titel Arsen, ein Rokokothriller, seine Begeisterung für das architektonische Barockjuwel, dem Cuvilliéstheater, als auch für klassische Kriminalgeschichten, wie das Hollywood-Oeuvre Arsen mit Spitzenhäubchen zu verbinden.
Die umfangreiche Handlung wird nüchtern aus dem Hintergrund erzählt. Die Ballettruppe des Gärtnerplatztheaters stellt diese nach. Es gibt viel Geschehen mit vielen Charakteren in dieser Geschichte, die am Ende im Zeitraffer Jahrhunderte und große Entfernungen überspringt.
Zentral ist das ausgelassene Leben am Bayerischen Hof von Kurfürst Maximilian III Joseph von Bayern, dem wir auch den Bau des prachtvollen Cuvilliéstheaters verdanken. Dessen schmucke Verzierungen und handwerkliche Spielereien umrahmen wie ein Bühnenbild die tänzerischen Darbietungen. In der Choreografie bildet Stromgren zwei Ebenen. Die barocke fürstliche Gesellschaft, deren Tanz bis zur Persiflage in wertvollen Kostümen verkommt und auf moderne Tanzeinlagen der spärlich bekleideten Hofsklaven oder aus dem Jenseits erscheinenden Gestalten trifft.
Die Tanznummern sind kurz gehalten. Es kommt wenig Stimmung und Eleganz der Bewegung zustande. Die Choreografie bleibt schlicht und ist dem straffen Erzählstil mit vielen Szenenwechseln gewichen. Groß angelegte Tanzfiguren oder ausdruckstarke harmonische Bewegungsabläufe fehlen. Stromgren scheint bewusst darauf zu verzichten, um Dekadenz, Scheinheiligkeit und Gefühlskälte in der Gesellschaft zu zeigen. Gefühlsmomente oder positive Emotionen fehlen. Menschliche Positionskämpfe und in Komik verpackte Gewaltszenen fallen immer wieder ein. Östliche Stämme, schottische Wilde aus dem Norden bis zu den Rumänen der Neuzeit in Mönchskutten greifen die mitteleuropäische saturierte Bevölkerung an. Als letztes Verteidigungsmittel empfiehlt der Autor Arsen.
Die musikalische Untermauerung des Abends erfolgt mit mit Bedacht ausgewählten tänzerischen barocken Musikstücken, zumeist von Arcangelo Corelli und Antonio Vivaldi. Das Orchester ist zum Teil mit historischen Originalinstrumenten besetzt. Jürgen Goriup führt die Musiker lebendig mit frischen Tempi an.
Das Ballettensemble des Gärtnerplatztheaters übernimmt mit viel Tanz- und besonders mit der notwendigen Spielfreudigkeit das Choreografie-Konzept. Gut einstudiert und in der Gruppe abgestimmt, gestalten sie den Abend dynamisch komisch. Im Publikum wird immer wieder ob der Karikaturen herzhaft gelacht, und am Ende gibt es viel Beifall für Tänzer und Musiker.
Helmut Pitsch
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