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Fakten zur Aufführung 

DER GELBE KLANG
(Wassily Kandinsky)
4. April 2014
(Premiere)

Bayerisches Staatsballett, Nationaltheater München


Points of Honor                      

Musik

Tanz

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Glänzender Auftakt zur Ballettfestwoche

Zum Auftakt der diesjährigen Ballettfestwoche des Bayerischen Staatsballetts gab es einen Premierenabend mit den Uraufführungen von drei sehr unterschiedlichen Werken. Namensgebend und im Marketing publikumswirksam eingesetzt, beginnt der Abend mit der Umsetzung von Wassily Kandinskys Bühnenkomposition Der gelbe Klang. Michael Simon inszeniert zu verschiedenen Musikstücken von Frank Zappa dieses 1912 im Almanach der Blauen Reiter veröffentlichte umfangreiche Traktat. Kandinsky macht die Musik, den Tanz, die Bewegung, die Malerei, ja jeden Gegenstand zur eigenen Handlung. Ein synästethisches Gesamtkunstwerk soll es sein. Ändert man den Ton, ändert sich die empfundene Farbe. Die Bühne wird das Erlebnis im Inneren des Zuschauers. Diese „Seelenvibrationen“ wollte der deutsche Raumkünstler, Choreograf und Regisseur Michael Simon in einer anspruchsvollen Aneinanderreihung von inhaltslosen Bildern gestalten. Eine Collage oder Konzeptkunst ist daraus entstanden, in der Tanz nicht stattfindet. In Anlehnung an das zugrundeliegende Werk erscheinen ein Kind mit Riesenkopf oder einer der fünf Riesen als gelbes Michelin-Männchen. Eine Vielzahl von Gegenständen tragen die Symbolik für Malerei oder Musik. Eine ideenreiche Umsetzung, aber ohne originelle Choreografie. Eine erlebnisreiche Offenbarung die Musik von Frank Zappa. Große harmonische Melodiebögen, ein rhythmisches Feuerwerk und farbenreiche Klangwolken, die mit viel Energie und Verve vom Bayerischen Staatsorchester einstudiert und unter der Leitung des Amerikaners Myron Romanul dargeboten wurden. Am Ende heftige Buhs für das Regieteam und viel Applaus für das Orchester.

Anders der zweite Teil und absolute Höhepunkt des Abends. Spiral Pass nennt der Choreograf und vielseitig ausgebildete Engländer Russel Maliphant seine Arbeit. Er lässt die Körper der Tänzer sich ständig um die eigene Achse in dieser aufregenden, ideenreichen Choreographie drehen. Zuerst entwickelt er die Bewegungsabläufe, und danach wird dazu die Musik komponiert. Hier genial umgesetzt von Mukul Patel, der elektronische audiovisuelle Klangkompositionen schuf, die vom Band eingespielt werden. Russel Maliphant, der nicht nur Tanz, sondern auch Anatomie, Psychologie und Biomechanik studierte, verarbeitet verschiedene Bewegungssprachen. Neben dem klassischen Ballett auch Yoga, Tai Chi bis zu Street- und Break Dance. Akrobatische, schnelle höchst anspruchsvolle Bewegungsabläufe wechseln mit raffiniert fließenden Pas de Deux ab. Betörende ausdrucksstarke Bilder entstehen auf der nur schal ausgeleuchten Bühne. Die Solisten Lucia Lacarra und Marlon Dino dokumentieren wieder einmal ihr tänzerisches Können in einer perfekten Körperbeherrschung. Viel Beifall und Anerkennung für die großartige Leistung des Ballettcorps und diese gelungene, vitale, spannungsgeladene Choreografie.

Konzert für Violine und Orchester nennt sich der dritte Teil dieses abwechslungsreichen Ballettabends. Die kandadische Choreografin und John-Cranko-Schülerin Aszure Barton schuf einen klassisch anmutenden schlichten Abschluss dieses Premierenabends. Nach dem kraftvollen, bewegungsgeladenen Mittelteil taucht der Zuschauer jetzt in eine gleißende Lichtshow. Die Tänzer erscheinen in wallenden, weißen Kleidern und bewegen sich fließend zu der modern anmutenden Musik Mason Bates‘. Sein 2012 uraufgeführtes Violinkonzert verarbeitet Eindrücke der Jazz- und Technomusik mit der modernen sphärenhaften zeitgenössischen klassischen Musik. Diese Mischung versucht die Choreografin, durch minimale synchrone Gruppenbewegungen der Tänzer und Tänzerinnen umzusetzen. Es entfaltet sich wenig Stimmung, und es schleichen sich kleine Fehler in die exakt einheitlichen Bewegungsabläufe. Katherina Markowskaja und Lukas Slavicky tanzen hingebungsvoll ihre emotionsreich gefärbten Pas de Deux. Bravourös fidelt indes der Konzertmeister des wiederum ausgezeichnet aufspielenden Bayerischen Staatsorchesters seine Kadenzen, und der Orchesterklang füllt das Opernhaus wohltuend aus. Braver Applaus am Ende für diesen insgesamt ansprechenden Premierenabend vor einem vollen Haus ballettbegeisterter Münchner.

Helmut Pitsch

 

Fotos: Wilfried Hösl