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Fakten zur Aufführung 

POLLICINO
(Hans Werner Henze)
9. Juli 2011 (Premiere)

Städtische Bühnen Münster


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Raus aus dem Elend

Der Stoff zu Hans Werner Henzes Pollicino ist so ähnlich wie „Hänsel und Gretel“: arme Eltern setzen ihre sieben Söhne im Wald aus, die aber kehren nach Hause zurück, weil Pollicino den Weg markiert hat. Beim zweiten Versuch geraten die Söhne ins Reich eines Menschenfressers, dessen sieben Töchter schon lange flüchten wollen. Söhnen und Töchtern gemeinsam gelingt die Befreiung, nach Überqueren eines reißenden Flusses als letzter Hürde ist die lebensfeindliche Welt passé und Happy End angesagt.

Kinder, Jugendliche und Erwachsene, Profis, Semi-Profis und Laien – für sie hat Henze sein „Märchen für Musik“ Pollicino geschrieben. Und genau so wurde es jetzt an den Städtischen Bühnen im Rahmen des Henze-Festivals realisiert. Als gemeinsames Projekt von Westfälischer Schule für Musik, Musikhochschule und Stadttheater.

Dirigent Peter Meiser organisiert ein riesiges Arsenal von Blockflöten, etlichen Schlaginstrumenten, Streichern und Gitarren. Selbst Krummhörner, Psalter, Klavier und Harmonium sind vertreten. Sie alle entfalten farbige, eingängige und assoziationsreiche Klänge, die sich ganz in den Dienst der Erzählung stellen.

Annegret Sophia Neugschwender (Regie) und Anke Drewes (Bühne und Kostüme) zeigen auf der Bühne eine der Favelas unserer Tage, irgendwo in Südamerika oder in Asien. Von menschenwürdigem Leben mitten im Müll kann da nicht die Rede sein. Diese knallharte Realität zur Kenntnis zu nehmen und sie anzuklagen, war ganz gewiss ein Anliegen Hans Werner Henzes, als er 1980 Pollicino schrieb. Und er wollte eine Möglichkeit schaffen, junge Menschen für Musik zu begeistern. Das ist ihm in Münster auf jeden Fall gelungen, wovon sich der zu Beginn der Premiere mit brausendem Applaus begrüßte Maestro höchstpersönlich überzeugte.

Ein fantastisch motiviertes, hoch konzentriert und erstaunlich sauber spielendes Instrumentalensemble liefert die Basis für all die Gefühle von Traurigkeit und Fröhlichkeit, die Pollicino und seine Familie, aber auch die des Menschenfressers durchleben. Dabei bewegen sich die jungen Sängerinnen und Sänger wie Profis auf der Bühne, singen und spielen mit großer Lust und völlig locker, vor allem Felix Zhang in der Titelrolle. Der ist ein echtes Talent, ein selbstbewusster Pollicino mit einer wunderschönen und sicheren Stimme.

Die Begeisterung des Publikums war riesengroß, der Applaus fegte vorüber wie ein Sturm. Völlig zu Recht angesichts der künstlerischen Qualität aller, die diese Geschichte so lebendig und berührend erzählt haben. Hans Werner Henze zeigte sich hoch zufrieden.

Die Pollicino-Premiere markierte den Abschluss des zweiwöchigen Festivals, das Henze, am 1. Juli 85 Jahre alt geworden, an den letzten vier Tagen als Gast mitverfolgte. Dabei wurde er vom Publikum mit Standing Ovations und überaus warmherzigem Beifall empfangen.

Christoph Schulte im Walde

 













Fotos: Volker Beinhorn