Jude als Opfer
Detlev Glanert geht mit kontroversialer Musiksprache dem Schicksal des feudal-assimilierten jüdischen Finanz-Beschaffers Süß für den skrupellosen Württemberger Herzog nach – folgend dem Roman Lion Feuchtwangers, nach einem Libretto von Werner Fritsch und Ute Ackermann.
Es geht um Antisemitismus zu feudalistisch-verkommenen Zeiten, es geht auch um das Opfern manipulierbarer „Aufsteiger“ – aber es geht vor allem um die Gnadenlosigkeit eines dekadenten Systems.
Glanerts Komposition insisiert auf verstörende Töne, Klänge, Geräusche – immer wiederkehrend die quälenden Motive des Kerkers, endend mit dem brutalen Brechen des Genicks des Gehenkten.
Die Niederrheinischen Sinfoniker sind auf die expressiv-farbenreiche Musik Detlev Glanerts exzellent vorbereitet! Unter dem engagiert-sensiblen Dirigat Kenneth Duryas entwickelt sich eine musikalische Atmosphäre äußerster Beklemmung.
Jan-Richard Kehls Inszenierung vermittelt die musikalischen Intentionen; die Personen agieren im Wechsel von Frivolität, Brutalität, Heuchelei, Leiden und Schuld – bezieht permanent das Publikum ein.
Ein Steg über den Orchestergraben, eine Barriere auf der Bühne vor einer bedrohlichen Mauer auf der Drehbühne: Frank Hänigs „Kommunikationsraum“ wirkt bedrängend-hermetisch.
Igor Gavrilovs Joseph Süß beeindruckt mit intensiver Darstellung, artikuliert die Glanert-Klänge mit äußerst variabler Stimm-Kompetenz. Christoph Erpenbeck gibt einen skrupellos-lüsternen Herzog stimmlich souverän; Tobias Scharfenberger ist ein stimmkräftig-martialischer Rabbi. Die ausgebeuteten und missbrauchten Frauen werden von Eva Maria Günschmann als Naemi und Isabelle Razawi in der Rolle der Magdalena in ihrer Hoffnungslosigkeit ergreifend dargestellt – und interpretieren mit höchster Konzentration in den geforderten Tönen. Debra Hays hat als prostituierende Opernsängerin Gelegenheit zur „Vorstellung“ ihres wunderbar variantenreichen Soprans. Walter Planté ist ein bewegend leidender, korrupter Weissensee; und Tobias Wessler übernimmt die Rollen von Henker, Haushofmeister und Gerichts-Stimme mit prägnantem Ausdruck.
Das Krefelder Haus ist sehr gut besucht, die Spannung begleitet die zweistündige Aufführung permanent! „Das müssen wir noch verarbeiten“, kommentiert ein älteres Ehepaar das Erlebte beim Verlassen des Theaters.
Franz R. Stuke
|