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Fakten zur Aufführung 

FRANKENSTEIN
(Henrick Albrecht)
17. November 2011
(Premiere 2010)

Hochschule für Musik und Tanz,
Rechtsmedizin der Universität Köln


Points of Honor                      

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Nach der Premiere

Dem Nachwuchs eine Chance zu geben, ist Regisseur Andreas Durban und Komponist Henrik Albrecht ein Anliegen. In Frankenstein haben sie ganze Arbeit geleistet (4'40).

 

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Von Anfang an

Andreas Durban und Henrik Albrecht haben eine alte Kunstform wieder entdeckt und für ihre Absolventen als ideale Möglichkeit der Präsentation eingesetzt: Die Literaturoper, nach ihrem Verständnis eine Mischung aus Sprechtheater und Oper, die in Form einer Kammeroper aufgeführt wird, endete in den 20-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Die beiden Dozenten der Musikhochschule lassen die Aufführungsform an Orten wieder aufleben, die thematisch zu den Stücken passen. Bei Frankenstein scheint sich der Hörsaal der Rechtsmedizin an der Universitätsklinik Köln anzubieten. Zumal die unmittelbar neben dem Melatenfriedhof, einem der ältesten und größten Friedhöfe Kölns, gelegen ist. Institutsleiter Markus Rothschild ist von der Idee spontan begeistert und öffnet nicht nur die Türen des Hörsaals.

Schon an der Kasse wird es kurios. Wie beiläufig erwähnt die Dame, die kleine Totenkopfperlen als Eintrittskarten verteilt, dass der Eingang zum Hörsaal heute auf der anderen Seite liege. Treppe runter, durch die Aufbahrung, an der Kühlung vorbei, Prosektur, dann gleich in den Hörsaal. Leider ist die Tür gegenüber verschlossen, so dass die Gäste sich erst vollständig auf dem kalten Vorhof sammeln müssen. Was eben noch nach schlechtem Scherz klang, wird nach dem Abstieg ins Souterrain gruselige Gewissheit. Unvermittelt findet man sich in der Aufbahrung wieder, in der drei junge Damen ihre Trauer zum Ausdruck bringen. An den Kühlräumen vorbei wird die Gästeschar durch die Prosektur geführt. Dass dort ein Schauspieler steht, der hin und wieder deklamiert: Ein Brief von meiner Mutter – geschenkt. Auch so ist der unerwartete Gang durch die Innereien der Rechtsmedizin schon Einstimmung genug.

Nach eloquenter, kurzweiliger Begrüßung und Einführung von Rothschild kann das Spiel beginnen. Jana Denhoven hat die Bühne, die sich über den Vortragsbereich und die untere Hälfte der Stufen erstreckt, auf das Kärgste eingerichtet. Ein paar Drähte sind über die „Hauptbühne“ gespannt, die mit einer Stellwand und einem Sofa komplettiert wird. Auf den Stufen der „Seitenbühnen“ ein paar Stühle, auf denen spärliche Requisiten für die wechselnden Rollen der Sängerinnen und des Sängers deponiert sind. Die Darsteller sind bis auf das Monster schwarz gekleidet. Ihre Rollenwechsel kennzeichnet Denhoven mit einfachen, aber markanten Requisiten, etwa einem Servierhäubchen, eine Krawatte oder eine Laborschürze. Auch beim Licht gibt es wenig Spielraum. Dennoch müht sich Thomas Vervoorts redlich, mit geringsten Mitteln zumindest so etwas wie Stimmungswechsel anzuzeigen. Durban, der auch für das Libretto zuständig ist, setzt wechselweise Spielszenen und Briefwechsel ein, in denen er wahlweise singen oder sprechen lässt. Die Musik von Henrik Albrecht ist irgendwo zwischen Atonalität und Weill angesiedelt. Die Reduktion auf ein E-Piano unterstreicht den Purismus. Wo die Mittel so spärlich eingesetzt sind, sind die Protagonisten auf das Äußerste gefordert. Zumal die Akteure auch noch – bis auf Frankenstein und sein Monster – verschiedene Rollen zu spielen haben.

Eine spannende Ausgangssituation. Und vom ersten Augenblick an gelingt es den Absolventen aus den Gesangsklassen der Musikhochschule, das Publikum zu fesseln. In nichts brauchen sie sich hinter größeren Produktionen zu verstecken, was Kunstfertigkeit und Intensität angeht. Von Anfang bis Ende erstreckt sich der Spannungsbogen ohne eine Länge von skurril, dramatisch über heiter bis surreal. Mangelnde Erfahrung machen die jungen Leute durch höchste Konzentration auf die Einhaltung der Regieanweisungen wett, was ein wenig zu Lasten der Natürlichkeit geht – das aber trägt bei dem Stück nur zu seiner Wirkung bei.

Robert Fendl neigt in seinen Sprechpassagen als Victor Frankenstein noch zum Deklamieren, was er mit seinem sehr runden Bariton in den Gesängen wieder wett macht. Fabelhaft: Christine Meier als Monster. Sie überzeugt auf allen drei Darstellungsebenen mit Natürlichkeit und Professionalität. Sauber und klar ertönt ihr Sopran. Daniela Jungblut, Annette Hörle und Elisabeth von Stritzky spielen insgesamt sage und schreibe 15 Rollen ohne einen einzigen Aussetzer. Brillant! Mit ihren tollen Stimmen meistern sie auch die anspruchsvollen Stellen der Partitur. Sorgsam geleitet vom künstlerischen Leiter Georg Leisse, der die Musik Albrechts stimmungsvoll und eindringlich vorträgt. Warum er allerdings zwischendurch die Notenblätter so geräuschvoll umschlägt, dass es noch oben in der Regie zu hören ist, muss sein Geheimnis bleiben. Seine Darbietung entschädigt für die Störung.

Liegt es am Ort, dass sich niemand mehr zu husten traut? Jedenfalls herrscht gespannte Stille, anderthalb Stunden lang. Den fünf Nachwuchskünstlern und ihrem „Stummfilm-Pianisten“ ist es gelungen, das Publikum in ihren Bann zu schlagen. Ohne Wenn und Aber. Die Spannung löst sich in brausendem Beifall auf, ehe Zuschauerinnen und Zuschauer sich auf dem kürzeren Weg durch den Haupteingang des Hörsaals ins Foyer verlieren, wo eine faszinierende Aufführung noch länger gefeiert wird.

Michael S. Zerban