Magische Affekte: postmodern
Telemanns Barock-Opern atmen den Geist der Zeit. Anno 2011 kann das nicht anders sein – nicht platt-aktualisierend, aber augenzwinkernd verweisend. Und so geht Jens-Daniel Herzog die Geschichte an: Langobarden, Lombardei, Milano - da liegen der Cavaliere und Clown nahe!
Zu sehen sind die Verwicklungen um den Tyrannen Grimoaldus, den edlen Flavius und seiner verfolgten Schwester Rodelinda.
In der historisch-karikierenden Bühne von Mathis Neidhardt mit ihren verfremdenden Accessoires inszeniert Herzog ein abwechslungsreich-pfiffiges Spiel im dialektischen Wechsel von Gewalt und Sehnsucht nach erfüllter Liebe.
Maite Beaumont gibt einen Flavius mit enorm spielfreudigem Barock-Impetus und hinreißender stimmlicher Ausstrahlung. Antonio Abate ist der böse Wüterich Grimoaldus, stimmlich auf den Punkt aggressiv. Nina Bernsteiner überzeugt als leidend liebende Rodelinda mit faszinierender barock-adäquater Gesangskunst! Ann-Beth Solvang spielt und singt die unglückselige Flavia mit überzeugender Intensität. Katerina Tretyakova faszinjiert als gepeinigter Cunibert. Mit Jürgen Sacher, David DQ Lee und Melissa Petit sind empathische Sänger-Darsteller zu erleben, die den Charakteren von Orontes, Onulfus und Regimbert eindrucksvolle Präsenz verleihen.
Alessandro De Marchi leitet das formidable Orchester der Accademia Montis Regalis zu virtuos-authentischem Spiel, akzentuiert die diffizilen Instrumentengruppen, führt – mit kommentierendem Cembalo-Spiel - zu einem bewegend transparenten Gesamtklang.
Das internationale, äußerst kundige Publikum der Innsbrucker Festwochen der Alten Musik genießt zustimmend die gehörte musikalische und sängerische Dimension des Erlebten – will aber die ironische Inszenierungspointe nicht bejubeln: „Es freue sich alles, was höret und sieht, wie schön nun Italiens Wohlergehn blüht!“
Bella figura hat ausgedient – aalt sich aber frivol am Bühnenrand!
Aber Oper – auch Barockoper heute – ist ein Bild der Zeit, charakterisiert durch das prägende Negative!
Franz R. Stuke
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