Irritationen der Liebe
Es ist etwas ganz besonderes bei den 35. Festwochen der Alten Musik in Innsbruck: PreisträgerInnen des Internationalen Gesangwettbewerbs für Barockoper Pietro Antonio Cesti anno 2010 sind für die Besetzung der BAROCKOPER: JUNG ausgewählt. Und Solisten, Regie, Musik und Lokalisation stimmen in selten erlebter Kongenialität überein.
Konkret geht es um Francesco Cavallis dramma per musica La Calisto von 1651, der berührenden Geschichte um die Nymphe Calisto, die als Opfer des Streits zwischen den Göttern immerhin als Großer Bär am Himmelszelt zu ewiger Präsenz für die leidenden Menschen wird.
Hinrich Horstkotte nimmt in seiner empathischen Inszenierung Partei für die elementaren Gefühle, ironisiert - leicht – die so schändlichen Schwächen der Göttinnen und Götter. Vor allem: Er nutzt die zauberhaften Gegebenheiten der Arkaden des Universitäts-Hofs – dass Wolken und Regenschauer das Geschehen beeinträchtigen, verhindert den Blick auf den Sternenhimmel: Die Projektion des Sternbilds ist da ein schwaches Als-Ob.
Das Barockorchester Gent ist von Andrea Marchiol famos auf die improvisations-stimulierende Cavalli-Musik vorbereitet: Da stimmt der barocke Grundton, da brillieren die einzelnen Instrumente – und da faszinieren vor allem die brillant interpretierten Ritornells!
Engagiert, lustvoll agierend, stimmlich hoch kompetent: das Gesangs-Ensemble! Anna Gorbachyova ist eine hinreißende Calisto mit hell-differenziertem Klang mit enormer Gestaltungsvarianz! Anna Alas i Jove gibt der Diana ambivalent-erotischen Charakter, singt mit beeindruckendem Ausdruck und absolut sicherer Phrasierungskunst. Francesca Lombardi Mazzulli gibt der Giunone nachhaltige Präsenz; Jeffrey Francis wird mit seinem artifiziell-gekonnten Falsett zum kurios-ungehemmten Giove. Die exzellenten Counter von Benno Schachtner und Onur Abaci als Endiminone und Satirino verkörpern phantastisch rollengerechte Typen mit darstellerischer Sänger-Kompetenz. Simon Robinson überzeugt als allgegenwärtiger Mercurio, Wilfried Rogl spielt und singt eine irritierende Linfeaa, Klaus Paar und Daniele Macciantelli präsentieren als Pane und Silvano barocke Komödiantik, gepaart mit stilgerechtem Gesang!
Und wie wunderbar: Ein freudig begleitendes Publikum, dem niemand den Zusammenhang von hintergründiger Mythologie, barocker Musik und aktueller Inszenierungskunst, kompetenter Musik und virtuosem Gesang erklären muss!
Auf ein ebenso animierendes 2012!
Franz R. Stuke
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