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Fakten zur Aufführung 

IPHIGENIE AUF TAURIS
(Tommaso Traetta)
15. Dezember 2013
(Premiere)

Theater Heidelberg

Points of Honor                      

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Brüderlein und Schwesterlein

Es sind schon reichlich kaputte Figuren, die uns die griechische Mythologie präsentiert. Orest, ein Muttermörder, flieht vor seiner Seelenqual ins Nirgendwo, in diesem Fall Tauris. Scheint ein Inselstaat zu sein, in dem die verschollen geglaubte Schwester Iphigenie, selbst beinahe Kultopfer, nun als Priesterin die Fremden massakriert. Dazu gezwungen wird sie von dem kalten, blutrünstigen König Thoas, einem perversen Lüstling. Als aber Orest aufs Schafott soll, da pocht das verwandtschaftliche Blut und Iphigenie weigert sich, den Bruder abzuschlachten. Peng, lässt sie den Revolver sprechen, mit dessen Hilfe sie sich des Bösewichts Thoas entledigt und Tauris zu friedvollerem Gemeinsinn führt.

Komponist Tommaso Traetta, ein musikalischer Weltenbummler, hat dieses Dramma per musica 1763, nach anderen Quellen schon 1758 in Wien herausgebracht, und Wolfgang Katschner, ein Spezialist für barocke Dinge, entdeckt das gute Stück und richtet es für den „Winter in Schwetzingen“ ein, bei dem das Theater Heidelberg seit Jahren die neapolitanische Oper zwischen Scarlatti und Traetta wiederbelebt. Ein ehrbares Unterfangen, mit viel musikalischem Herzblut unterlegt; ein schwieriges Unterfangen für jeden Regisseur, der mit begrenzten Ausstattungsmitteln ein krudes Libretto darauf abklopfen soll, was uns daran jetzt noch interessieren könnte. Rudolf Frey und sein Ausstatter Aurel Lenfert lassen die Figuren in heutigen Kostümen ihre inneren Konflikte und Verstörungen ausleben. Da kommen einige tiefenpsychologisch zu deutende Szenen zustande, etwa wenn Iphigenie mit schmerzlicher Miene und irrer Schrittfolge Schuhschachteln auf der Bühne drapiert, die ihr ein höhnischer Machtmensch Thaos zureicht. Es mögen die Trophäen und Relikte der Opfer einer Wahnidee sein, die das Fremde ablehnt und deshalb alle Fremden meuchelt.

Das sind durchaus intensive Bilder, die allerdings an der Musik vorbeilaufen. Zwangsläufig, auch wenn Traetta seinerzeit das formatierte Schema von Rezitativ und Arie behutsam aufgeweicht hat. Das Beste aus diesem Bruch macht naturgemäß Wolfgang Katschner mit dem historisch informiert spielenden Heidelberger Orchester, wenn er die Affektenlehre auskostet und ein attraktives, spannendes Klangbild entwickelt. Da steht die Musik für sich, und die Titelfigur ist mit Aleksandra Zamojska glänzend besetzt. Die Sopranistin verbindet Eleganz der Koloraturen mit Innigkeit des Ausdrucks, singt die seelische Qual dieser Figur facettenreich aus, ohne zu überzeichnen. Perfekt. Aus Moskau stammt der Counter Artem Krutko, der dem vom Wahn befallenen, mal Opfertod suchenden, dann wieder auf Rettung hoffenden Orest eine in den Mittellagen gefällig geführte Stimme leiht. Seine Ausbrüche aber weisen in Richtung „Charakter-Counter“, ein neues Stimmfach, das in der Höhe Geschmeidigkeit durch grelle Robustheit ersetzen mag. Wenn es der Figurenzeichnung dient, bitte. Registerbrüche begleiten auch Irina Simmes in der Hosenrolle des Pylades, ein treuer Freund des Orest. Nicht ganz so frei und schön wie gewohnt singt Namwon Huh als Bösewicht Thoas, ganz in Schwarz, er wirkt phasenweise angestrengt. Zauberhaft leicht der Sopran von Rinnat Moriah als gutherzige Freundin Doris. Den gut in die Szene eingepassten Chor hat Ursula Stigloher einstudiert.

Das Premierenpublikum ist von der musikalischen Darstellung im Rokokotheater Schwetzingen sehr angetan und bedenkt das Inszenierungsteam mit vielen Buhrufen.

Eckhard Britsch

 





Fotos: Florian Merdes