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Fakten zur Aufführung 

DON PASQUALE
(Gaetano Donizetti)
5. Januar 2014
(Premiere am 16. November 2013)

Theater Hagen

Points of Honor                      

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Treffen der Generationen

Während die Ouvertüre losrattert, sitzt der alte Don Pasquale alleine im Rollstuhl auf der Bühne. Es ist der einzige Moment des Stillstands in der Inszenierung von Annette Wolf, und der trägt eine Spur Melancholie in sich. Ein Schulterblick rechts, dann später über die Schulter nach links – und der ständige Blick auf die Uhr – mehr braucht es nicht, um die Einsamkeit des alten, etwas griesgrämigen Junggesellen zu zeigen, der in seinem riesigem Haus, abgesehen von seinen Dienern, ganz alleine ist. Die Zapfen einer imaginären Kuckucksuhr hängen wie ein Damoklesschwert über ihm. Lena Brexendorff hat eine schöne Bühne aus vielen Raumelementen entworfen, die zunächst nach Tradition aussieht, dann ganz deutlich mit Theatersitzen und Logen die Nähe zum Theater und am Ende zur Moderne sucht. Das sieht nicht nur gut aus, sondern lässt der Inszenierung auch das Tempo, denn kaum greift die jüngere Generation ins Geschehen ein, kommt Geschwindigkeit auf die Bühne.

Das kleine Spiel, das Dottor Malatesta anzettelt, um seinen Patienten Pasquale von seinem Heiratswunsch abzubringen, wird auf der Bühne in einem Aufeinandertreffen der Generationen ausgedrückt. Brenxendorff hilft da fleißig mit ihren Kostümen. Der ewig gestrige Pasquale im Barock-Anzug trifft auf die quirlige Schauspielerin Norina, die im Prinzip jeden Stil bedienen kann, darunter aber immer ihre Klamotten von heute trägt. Malatesta trägt den eleganten Anzug aus dem letzten Jahrhundert, Ernesto ist der Schnösel von heute. Wenn Norina als vermeintlicher Ehedrachen Sofronia das Haus neu dekoriert, kommt natürlich auch Pink ins Spiel, und einer der Kuckucksuhr-Zapfen wird durch die glitzernde Diskokugel ausgetauscht.

Mit viel Slapstick und viel Bewegung setzt Regisseurin Wolf die Oper recht schwungvoll um, schrammt stellenweise aber nur ganz, ganz knapp an der Blödelei vorbei. Auch die Idee, Koloraturen und Acuti der Musik direkt mit Reaktionen und Bewegungen zu verbinden, wird vielleicht ein wenig zu oft eingesetzt. Allerdings ist dieser Opernabend keine Sekunde langweilig und hat zudem noch ein anderes Ende parat. Bei der Schlussmoral ist Norina sichtlich entrüstet darüber, dass ihr Lover Ernesto und der unsympathische Malatesta weder einen Blick für sie noch für den völlig niedergeschlagenen Pasquale übrig haben und sich stattdessen mit Computerspielen beschäftigen. Also schnappt sie sich doch lieber den erstaunten Alten und verschwindet mit ihm in der Seitenloge.

Dass Donizetti seiner heiteren Oper durchaus auch ein paar dunkle Untertöne gegeben hat, merkt man in der Inszenierung und mehr noch in der musikalischen Interpretation. Solorepetitorin Ana-Maria Dafova steht an diesem Abend vor dem Orchester, das mit rhythmischer Präzision an das Werk herangeht. Viele Farben und Instrumente hört man da aus dem Graben, wo es gerne mal etwas lauter in den Bässen grummelt und die Flöten blitzende Funken beisteuern. Diese Detailfreude ist für Donizetti sehr wichtig, doch nur die halbe Miete. Allein: Es fehlt der Mut zum Tempo. Das Orchester wird an der kurzen Leine geführt – die Rasanz des Belcanto bleibt auf der Strecke. Den Sängern hätte etwas mehr Freiraum gut getan, das allzu Kontrollierte ist auch nicht immer förderlich für alle Einsätze.

Doch das Ensemble des Theater Hagen bewältigt die Oper absolut rollendeckend. Und wer wäre für den Pasquale besser prädestiniert als Rainer Zaun? Der beherrscht die Partie nicht nur vokal, sondern ist auch wegen seiner urkomischen Darstellung von Zipperlein und Wehwehchen ein Publikumsliebling. Maria Klier fehlt etwas die Souveränität einer kleinen Diva im Gesang, aber was soll‘s? Unforciert und klar im agilen Gesang, daneben sehr lebendig und grazil im Spiel – mehr braucht diese Norina nicht, um voll zu überzeugen. Raymond Ayers bewegt sich passend zwischen gutem Kumpel, besorgtem Arzt und bösem Drahtzieher. Stimmlich weiß man mittlerweile in Hagen, was man an dem lyrischen Bariton hat, der auch in dieser Paraderolle seines Fachs überzeugt. Kejia Xiong fehlt im Vergleich zu seinen Kollegen das letzte Quäntchen Überzeugung im Schauspiel, dafür weiß er mit seinem angenehmen Tenor, der immer ausgeglichen klingt, umso mehr für sich einzunehmen. Der Chor des Theater Hagen hat in Don Pasquale gar nicht so viel zu tun, doch beide Stücke gehören mit zum berühmtesten, was die Literatur zu bieten hat. Und dementsprechend liefert der von Wolfgang Müller-Salow einstudierte Klangkörper auch ab und macht nebenher auch szenisch in der Küche, eingewickelt in Spagetti, eine gute Figur.

Das Publikum amüsiert sich deutlich hörbar und spendet sehr großzügigen Zwischenapplaus. Immerhin etwas, denn einige bemühen die Klischees eines nervigen Publikums geradezu übereifrig. Kaum geht die Musik los, ist im zuvor ruhigen Theater der Teufel los. Es wird geredet, möglichst laut und lange, gehustet, möglichst nicht ins Taschentuch hinein. Bonbons werden ausgepackt, anscheinend die mit dem größten Papier, so dass es extra laut knistert. Doch der Schlussapplaus stimmt versöhnlich und drückt aus: Hagens Don Pasquale ist sehenswert!

Christoph Broermann







Fotos: Foto Kühle