Dark Ages
Es ergänzen sich zwei musikalisch-historische Welten: Das spanische Wunderkind Albeniz und seine um 1900 entstandene Oper Merlin. Albeniz komponiert eine Musik im Stil der heroischen Attitüde, angepasst an die rule-brittania-Euphorie der auslaufenden Viktoria-Epoche.
Merlin ist die rätselhafte Figur in den bewusst verschleiernden Zusammenhängen des Entstehens des British Empire.
Albeniz bedient diesen Mythos – warum auch immer - mit spätromantischer Musik, heroisch aufbrausend, mit streicher-idyllisierende Passagen und aufbrausenden Bläsern – fordert vom Orchester enormes Engagement.
Heiko Mathis Förster engagiert sich mit der Neuen Philharmonie Westfalen für diese so affirmative Musik der Neuromantik, lässt attraktive Orchester-Klänge aufleuchten – kann aber kompositorische Konventionen nicht übertünchen.
Roland Schwab inszeniert ein mythologisches Spiel der dark ages, präsentiert einen bigotten Machtmenschen Merlin, übernimmt ambivalente Figuren wie Arthur, Morgan und Modred; das bleibt beim Nacherzählen des britischen National-Epos, vermag weder Emotionen zu provozieren noch Verweise auf aktuelle Probleme zu vermitteln.
Frank Fellmanns Bühne lässt den Merlin auf den long and winding roads in einem amerikanischen Straßenkreuzer scheitern, beharrt auf den begrenzten und immanenten Spielräumen des rätselhaft verfremdeten Orts der unaufgeklärten Botschaft britischer Historie.
Das Gelsenkirchener Ensemble überzeugt mit typengerechter Performance, beeindruckt durch kompetentes Singen:
Björn Waag gibt dem Merlin ambivalente Statur, verleiht dem Magier machtvoll-gebrochene Stimme. Lars-Oliver Rühl ist ein aufbrausender Arthur mit flexibler Phrasierung. Als eifernde Morgan und ihrem rachsüchtigen Sohn Mordred verkörpern Majken Bjerno und Pjotr Prochera die Feinde des vergöttlichten Arthur mit dramatischer Stimmgebung. Petra Schmidt als verräterische Nivian, Dong-Won Seo als statuarischer Erzbischof sowie Jeffrey Krueger als kämpferischer Gawain und Joachim G.Maas, Rafael Bruck und Nikolai Miassojedov als King Lot, Sir Pelligore und Sir Ector demonstrieren mit ihrer sängerdarstellerischen Kompetenz den hohen Standard des Musiktheaters im Revier.
Das Gelsenkirchener Publikum verfolgt das mythische Geschehen mit gespannter Aufmerksamkeit, versucht die dunklen Abläufe nachzuvollziehen, versucht, sich mit dem britischen Mythos zu identifizieren - feiert am Ende das prima Ensemble und das Orchester.
Franz R. Stuke
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