Träume
Judica Semlers Inszenierungs-Idee setzt sich mit existentiellen pubertären Entwicklungen kreativ auseinander: Kinder brauchen nicht nur Märchen – sie erfinden sie selbst! Rusalka – ein behütetes Töchterlein – erträumt sich ihren Märchenprinzen - findet sich am Ende als gestylte Business-Lady wieder.
Mit viel reflektiertem Verständnis für charakteristische Situationen entsteht eine intensive „Analyse“ menschlich nachvollziehbarer Entwicklungsprozesse – durchaus stilgerecht angereichert mit sympathisch ironisierenden Klischees (wie die Rusalka auf ihrer Spielzeug-Kiste wie die Nixe in Kopenhagen – was zugleich lustvoll auf das Andersen-Märchen verweist).
Das spielfreudige Freiberg-Döbelner-Ensemble geht auf dieses Konzept engagiert ein – und überzeugt mit kompetenter Gesangs-Kunst: Mit Lilia Milek ist eine anrührende Rusalka zu erleben, darstellerisch bewegend, stimmlich flexibel mit leuchtenden Höhen und viel Gefühl in den lyrischen Passagen!
Emilio Ruggerio gibt dem „Märchenprinzen“ tenorale Präsenz: überzeugend im Legato, kraftvoll in den Höhen-Eruptionen. Sergio Raonic Lukovic verleiht dem Vater/Wassermann nachdrückliche Stimm-Statur, souverän in der Intonation. Mit Zsuzsanna Kakuk agiert eine bedrohend-schützende Jezibaba mit demonstrativer stimmlicher Dramatisierungskraft.
Mit einer jugendlich prononcierten Susanne Engelhardt als Küchenjungen; dem gravitätischen Hans-Heinrich Ehrler als Heger; der divahaft-intonierenden Stefanie Jonas als Fremde Fürstin und Urte Jung, Sabine Sowade und Kathrin Moschke als quirlige Waldelfen mit prima Zusammenklang beweist das Mittelsächsische Theater seinen Rang als bemerkenswertes Musiktheater.
Diesem Anspruch wird auch die präzis aufspielende Mittelsächsische Philharmonie gerecht. Jan Roloef Wolthuis dirigiert umsichtig, sorgt für stimmige Kommunikation zwischen Graben und Bühne, legt Wert auf differenzierende Nuancen, um dem authentischen Dvořák-Klang nahe zu kommen.
Peter Kubisch leitet den Chor zu animierendem Spiel und makellosem Gesang!
Tilo Staudtes Bühne schafft mit klaren Raum-Formen das konkrete Ambiente für das doppeldeutige Märchen-Spiel mit geheimnisvollen Ausblicken und imaginativen Schatten-Effekten.
Das Freiberger Theater ist mittlerweile Ziel für Opern-Fans aus Dresden und Berlin: Das interessiert-aufmerksame Publikum geht auf die Bühnenabläufe zustimmend ein und dankt dem Ensemble mit herzlichem Applaus. Kommentar am Ausgang: „Ein märchenhafter Abend!“
Franz R. Stuke
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