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Fakten zur Aufführung 

WASSER
(Arnulf Herrmann)
19. Juni 2012
(Premiere am 16. Juni 2012)

Oper Frankfurt, LAB Frankfurt

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Verstörende Parallelwelt

Amnesie, Verwirrung, Translokation – wie sollte es benannt werden, was einem gewissen Robert im szenischen Musiktheater Wasser von Arnulf Herrmann passiert? Er findet sich in einem Hotelzimmer-Fragment wieder, gleitet in einen Wach-Traum, doch die Verwirrung seiner Gedanken kann er nicht auflösen. Was ist Traum, was Albtraum, was wäre wahr; bleibt Erinnerung trügerisch, kennt Robert sich überhaupt selbst, wo ihm im LAB Frankfurt (Labor für die künstlerische Moderne) gleich vier Alter Ego-Figuren begegnen, wenn sich Jalousie und Zimmer zu einer Hotellobby öffnen, an deren Seite das Ensemble Modern musiziert.

Dort begegnet Robert, dessen komplexe Partie der Bariton Boris Grappe exzellent darstellt, eine gewisse Katja wie ein Schemen in schillernden Verwandlungen zwischen Pop-Diva und Serviermädchen, die er zu kennen glaubt. Sarah Maria Sun mit ihrem kühl kalkulierten Sopran scheint ebenfalls eine perfekte Verkörperung der musikalischen und szenischen Ideenwelt. Denn der 1968 in Heidelberg geborene Komponist Arnulf Herrmann hält für die große Vereinsamung eine assoziativ verstörende Musik bereit, die mit Mikrointervallen, elektronischen Zuspielungen und eigenartigen Klangideen, wie vier bühnenhoch gezogene Saiten, den Käfig für Robert bereitet, aus dem es kein Entrinnen gibt. Denn der Lockruf „Komm doch zu mir“ wird zur Reise ins seelische Nichts.

Musikalisch bereitet Dirigent Hartmut Keil mit dem hervorragenden Ensemble Modern eine irritierende Klang-Collage; die von Regisseurin Florentine Klepper gemeinsam mit der Bühnenbildnerin Adriane Westerbarkey und Kostümbildnerin Anna Sofie Tuma entwickelte Szene führt mit klaren bildnerischen Mitteln in surreale Erlebniswelten. Das aus Wortfetzen gefügte Libretto von Nico Bleutge fordert diesen Ansatz geradezu heraus. Ausgezeichnet agiert die von Walter Nussbaum einstudierte Schola Heidelberg, deren Männerstimmen Sebastian Hübner, Jörg Deutschewitz, Georg Gädker und Tobias Schlierf die komplexen Herausforderungen auch darstellerisch souverän und sensibel meistern.

Mit dem LAB hat die Oper Frankfurt eine weitere Experimentierbühne, die für diese Koproduktion mit dem Ensemble Modern und der Münchener Biennale ideal geeignet wirkt, denn das gut einstündige Kammerspiel entwickelt dort einen geheimnisvollen Sog in Parallelwelten. Der Titel Wasser leitet sich von Herrmanns in Witten konzertant uraufgeführtem Element Seestück ab. Wer will, kann auch das Aquarium in der fiktiven Hotel-Lobby darunter subsumieren.

Das Publikum begleitet diese Geschichte einer Verwirrung mit großer Anerkennung.

Eckhard Britsch



Fotos: Regine Koerner