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Fakten zur Aufführung 

DER LIEBESTRANK
(Gaetano Donizetti)
20. Juli 2012
(Premiere)

Neue Eutiner Festspiele

Points of Honor                      

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Eine verstohlene italienische Träne

Es ist ein banger Blick gen Himmel. Wird es wie bei der Generalprobe kräftig regnen, oder kann die Premiere von Donizettis Liebestrank ohne Einschränkungen und Widrigkeiten auf der großen Freiluftbühne von Eutin beginnen? Kurz vor der Ouvertüre reißt der Himmel auf, sogar die Sonne scheint, alles ist gerichtet für einen fröhlichen und heiteren Opernabend. Und die Erwartungen werden mehr als übertroffen. Der Wiener Regisseur Wolfgang Dosch präsentiert seinen Liebestrank in deutscher Sprache als Gute-Laune-Oper gegen Schlechtwetterdepression. Angesiedelt irgendwo in einem süditalienischem Touristenort der 1950-er Jahre, wo das Stundenhotel neben der Dorfkirche steht, hofft der etwas naive Nemorino, von seiner Angebeteten Adina erhört zu werden. Doch die hat mehr Augen für den feschen Offizier Belcore, der nicht lange fackelt und eine schnelle Hochzeit arrangiert. Da kommt der fahrende Händler Dulcamara gerade zur rechten Zeit, der diverse Getränke für alle möglichen Gelegenheiten anpreist. Nemorino fragt nach einem Liebestrank, und er erhält eine Flasche Bordeaux. Der Wein ist natürlich kein Elixier, doch Nemorino hält ihn dafür, und er glaubt, ein anderer Mensch zu sein. Das gilt auch für die Frauen im Dorf, die ihn nun mit anderen Augen sehen. Täuschung und Selbsttäuschung liegen hier ganz nah beieinander. Nachdem Nemorino sich sogar des Geldes wegen als Soldat verdingt, um vom Handgeld eine weitere Flasche mit dem Wunderelixier kaufen zu können, erkennt Adina seine wahren Werte, kauft Nemorino vom Militär frei, und am Schluss gibt es, wie es sich gehört, das Happy-End.

Dosch inszeniert diese einfache und doch so lebendige und lebensnahe Geschichte mit wunderbarer Komik und Augenzwinkern, ohne dabei jemals in die Nähe des Banalen oder der Trivialität zu gelangen. Der Regisseur ist vom Herzen her ein Mann für die Spieloper, für das Komische im Leben. Und er ist ein großer Sängerfreund. Die setzt er in einem deutlich umschriebenen Rahmen exzellent in Szene. Er hat ein klares Konzept, ohne das Stück zu überfrachten. Es ist Komödie ohne Klamauk. Und er inszeniert für das Publikum. Donizettis Werk ist gestrafft, die Rezitative sind gestrichen, dafür gibt es kurze, aber spritzige Dialoge, die das Publikum immer wieder zu Heiterkeitsausbrüchen animieren.

Einen besonderen Clou hat Dosch aber noch parat. Nemorinos wunderschöne Romanze lässt er in der Originalsprache singen. Diese Entscheidung ist keine Verlegenheitslösung, weil die deutsche Übersetzung nicht gepasst hätte. Es ist ein Lied, dass Nemorino allein auf der Bühne singt. Ein Mädchen, das wie er eine Außenseiterin im Dorf ist, reicht ihm eine Sonnenblume als Zeichen ihrer Zuneigung. Dieser Moment wirkt überhaupt nicht kitschig, sondern erzeugt bei Nemorino, und natürlich auch beim Publikum, ein Gefühl tiefer und inniger Emotionalität. Und daher passt die „verstohlene – italienische – Träne“ in diesem Moment  als eigenständiges Bild mit Tiefgang im ansonsten heiteren Kontext.

Ursula Wandaress hat für diese Inszenierung die mediterrane Bühnenkulisse geschaffen, die Sehnsucht nach Urlaub in südlichen Gefilden weckt. Martina Feldmann hat die bunten und luftigen Kostüme dieser Region dem Modestil der 1950-er Jahre angepasst. Klaus Emil Zimmermann sorgt besonders im zweiten Akt, nachdem die Dämmerung angebrochen ist, mit einem klug eingesetzten Lichtdesign für eine imaginäre Sommerabendatmosphäre.

Das Festspielorchester unter der Leitung von Carlos Spierer liefert einen beschwingten und federnden Donizetti, dabei erweist sich Spierer als großer Praktiker des Musiktheaters. Die Rahmenbedingungen auf dieser Bühne sind schwierig, doch er trägt Sänger und Chor, gibt ihnen die notwendige Zeit, und so wird diese Aufführung auch musikalisch ein Ereignis. Auch das international besetzte Orchester hat sich gut gefunden, die einzelnen Orchestergruppen klingen differenziert, und es wird mit Schwung und Dynamik musiziert.

Der Chor der Eutiner Festspiele ist nicht nur sängerisch gut eingestellt durch Gabriele Pott, sondern Wolfgang Dosch hat jedem Choristen seine eigene Rolle gegeben, so dass der Chor die Aufführung auf solistisch-mentalem Niveau mitgestalten kann.

Auch sängerisch ist die Premiere von höchstem Niveau. Der südafrikanische Tenor Jaques Le Roux spielt einen einfältigen und liebeskranken Nemorino und überzeugt mit großer Belcanto Stimme und klaren Höhen. Seine Romanze Una furtiva lagrima fordert das Publikum zu einem wahren Begeisterungssturm heraus. Mit sicheren Höhen in den Koloraturen und verführerischem Spiel überzeugt Ulrike Maria Maier als Adina. Der koreanische Bariton Johan Hyunbong Choi gibt den schneidigen Belcore mit forschem und markantem Gesang. Seine Schimpftirade, nachdem er Adina an Nemorino verloren hat, ist der Publikumsrenner des Abends mit viel Applaus. Was Hyunbong Choi da alles von sich gibt, wird wohl ewig sein Geheimnis bleiben – es ist in koreanischer Sprache. Stefan Sevenich verkörpert den Dulcamara mit großem Ausdruck und komödiantischem Spiel, und Ruth Fiedler kokettiert als Giannetta.

Am Schluss ist sich das Publikum, das schon während der Aufführung mit Szenenapplaus nicht geizt, in seiner Bewertung dieser Inszenierung einig. Großer Jubel für alle Beteiligten, und an diesem Abend ist die Schlechtwetterdepression verflogen. Schade, dass die Besucherränge nur gut zur Hälfte gefüllt sind.

Andreas H. Hölscher

Lesen Sie hier auch den Vorbericht zu den Neuen Eutiner Festspielen.

Lesen Sie hier auch die Besprechung zur Festspielaufführung Nabucco.

Fotos: Kerstin E. Ahrens