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Fakten zur Aufführung 

CINDERELLA
(Peter Maxwell Davies)
23. September 2011 (Premiere)

Altstadtherbst Düsseldorf
Areal Böhler, Halle am Wasserturm


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Schrilles Klangwunder

Warum müssen eigentlich Opern, die von Kindern gespielt werden, immer als Opern „mit Kindern für Kinder“ angekündigt werden? Die Folgen sind mitunter fatal. Martin Oelbermann hat seine Inszenierung in die Gegenwart verlegt. Seine Eingriffe in den Text gehen bisweilen zu weit, rutschen in die Albernheit ab. Ganz ungeniert lässt er die Kinder Markennamen aufsingen, ein Düsseldorfer Konditor kann gar nicht oft genug genannt werden. Zusätzlich werden seine Pappkartons für Torten über die Bühne geschleppt. Dem Konditormeister sollte das nicht gefallen, selbst wenn es dabei nur um Lokalkolorit gegangen sein soll. Das ist nicht lustig, sondern unreflektiert und hat in einer Kinderoper nichts verloren.

Die Halle am Wasserturm im Böhler Areal ist als eine Miniatur der Jahrhunderthalle hergerichtet und bildet mit ihrem rustikalen Industriecharme einen guten Rahmen für die Handlung. Den Bühnenraum hat Stefanie Lenkewitz klug aufgeteilt: Im Hintergrund die Schlag- und Blechinstrumente, vorne rechts die Streicher – da stimmt die Akustik. Vor der ersten Stuhlreihe ein paar Kissen, auf die sich der Chor zurückziehen kann, quasi, ohne gesehen zu werden. Links und rechts je zwei Stühle, von denen aus die Erzählerinnen agieren. Die zentrale Fläche bleibt frei und bietet Platz für jede Menge – sinnvoller und tatsächlich lustiger und stimmiger – Regieeinfälle. Hinter dem Podest der Musiker ist schließlich eine Leinwand aufgehängt, auf der in poppigen Schriften von Hellmut Schlingensiepen das Geschehen kommentiert wird.

Cinderella mutiert in der Oper von der Stiefschwester zum Au-pair-Mädchen. Ansonsten bleibt die Grundkonstellation ähnlich. Wenn man davon absieht, dass die drei Schwestern sich neben ihrer Putzsucht auch noch für die gängigen Fernsehshows der Gegenwart interessieren. Die verschiedenen Dimensionen zwischen Traum und Realität verschwimmen und sind für den Zuschauer nicht immer klar erkennbar. Das spielt aber auch keine Rolle, viel zu sehr lässt man sich vom Geschehen auf der Bühne in den Bann ziehen. Dazu hat Lenkewitz die Kinder in herrlich schrille Kostüme gesteckt; vor allem die Schwestern kommen ganz wunderbar überdreht, ja, in der Maske von Janett Schmidt schon monsterhaft überzogen daher. Herrlich auch die Choreografie von Eva Zamazalová. Bei rund 60 Darstellerinnen und Darstellern auf der dann plötzlich ziemlich kleinen Fläche stimmen die Bewegungsabläufe bis in die Kleinigkeiten, bei den Tanzeinlagen immer wieder wechselnder Protagonisten möchte der Zuschauer am liebsten mitmachen. Ein besonderes Lob gilt sicher dem Kätzchen: Sarah Drewlo bewegt sich mit ungeheurem Einfallsreichtum und Ausdauer durch die Szenen. Eine echt starke Leistung.

So schön und schrill und abwechslungsreich das alles ist – im Grunde hätte es gereicht, wenn die Darstellerinnen und Darsteller konzertant aufgetreten wären. Eine Stimme schöner als die andere, allesamt brillant mit Unterstützung von Lena-Maria Kramer und Thomas Schlerka ausgebildet. Lili Vanryne singt ihre Cinderella ein wenig zurückhaltend, aber schön. Gereon Breuer spielt den Prinzen nicht als Märchenprinzen, sondern als jungen Staatsmann, der weniger mit Pathos als mit viel Differenziertheit in der Stimme agiert. Das überzeugt, zumal ein Junge in dem Alter – hoffentlich – noch nicht weiß, was Pathos ist. Geradezu erschaudern lässt Lena Jaekel den Zuschauer, wenn sie mit atonaler Stimme die Witwe Knurrig charakterisiert.  Stellenweise wäre selbst ein Tom Waits blass vor Neid geworden. Sarina Durke, Carolina Hanko und Pearl Seemann stellen die Schwestern überzogen-poppig dar. Da ist auch schon mal ein Rap drin, kleinere Tanzeinlagen à la Michael Jackson inklusive. Die Erzählerinnen Laura Durke, Katharina Esch, Leonie Laug und Sara Wittazscheck wagen manches Stimmkunststück, vor dem schon erwachsene Sängerinnen höchsten Respekt haben, mit unglaublicher Leichtigkeit. Als Ballgäste erstaunen Max Schützeichel, Fabian Wittazscheck und Tom Cunningham mit stimmlicher Kunstfertigkeit. Kompliment auch an die übrigen Kinder des Düsseldorfer Mädchen- und Jungenchors, die allesamt mit ausgesprochener Spielfreude und Präzision die Handlung unterstützen. Natürlich bringen beide Chöre ein wenig Erfahrung aus ihren Auftritten aus der Deutschen Oper am Rhein mit, aber das erklärt längst nicht diese hohe Professionalität. Sondern da werden bis unter die Haarspitzen motivierte Kinder von wahrhaft meisterhafter Hand gelenkt.

Diese Hand gehört Justine Wanat, die auch auf der Bühne zeigt, mit wie viel Engagement sie dabei ist. Da wird keiner alleine gelassen, deutlich und klar das Dirigat, konsequent die Führung auch des konzentriert spielenden Projektorchesters bis zum Schlussakkord.

Umso schlimmer, dass die Oper „für Kinder“ angeboten wird. Das hat nämlich hier zur Folge, dass die Zuschauertribüne voll von Eltern ist. Und die scheinen mit der Geburt der lieben Kleinen vergessen zu haben, dass den Akteuren vor ihnen Respekt gebührt. Da wird gequatscht, was das Zeug hält, den Kindern ganz antiautoritär gestattet, ihrer Langeweile freien Lauf zu lassen und zwischendurch kann man ja auch schon mal aufstehen und die Sitzposition wechseln. Nur beim Dank des Publikums an die Bühnenkinder, da kleben die Hintern plötzlich an den Sitzschalen und die Hände sind vor lauter Erziehung den Tag über plötzlich zu müde, um den Kindern das zu zollen, was sie nach dieser Aufführung verdient haben: einen ganz dicken Applaus.

Michael S. Zerban





Probenfotos: Frank Heller