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Fakten zur Aufführung 

WAGNER-GEBURTSTAGSKONZERT II
(Sächsische Staatskapelle Dresden)
21. Mai 2013
(Konzert)

Semperoper Dresden


Points of Honor                      

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Geburtstagsständchen der besonderen Art

Nach dem erfolgreichen ersten Geburtstagskonzert am 18. Mai für ihren ehemaligen Königlich Sächsischen Kapellmeister Richard Wagner in der Dresdner Frauenkirche widmet sich die Sächsische Staatskapelle Dresden unter der Leitung von Christian Thielemann gemeinsam mit dem Tenor Jonas Kaufmann am Vorabend seines 200. Geburtstags den Dresdner Uraufführungsopern des Jubilars. Erklingen sollte ursprünglich auch ein neues Werk des Capell-Compositeurs Hans Werner Henze, das unter dem vorläufigen Titel Isoldes Tod Gestalt annahm und eine Referenz an den früheren Hofkapellmeister Wagner sein sollte. Doch nach dem plötzlichen Tod Henzes blieb das Auftragswerk der Osterfestspiele Salzburg und der Staatskapelle unvollendet. Deshalb hat Christian Thielemann für das Programm ein anderes aus der der Reihe der jüngsten Orchesterwerke Henzes ausgewählt: Fraternité, das eine zentrale Idee der Aufklärung zur musikalischen Botschaft erhebt.

Thielemann eröffnet dieses zweite Geburtstagskonzert mit der Ouvertüre zur Romantischen Oper Der Fliegende Holländer mit dem Konzertschluss in der Fassung von 1860. Und Thielemann lässt von Anfang an keine Zweifel zu, wie er seinen Wagner an diesem Abend zu würdigen gedenkt. Volltönend und wuchtig klingt es von der Bühne; der wütende Sturm, das Holländerschiff werden durch die Musik förmlich visualisiert. Stark die Bläser, die sehr differenziert spielen. Dieser Holländer ist kein Weichei.

Wagner hatte eine große Faustsymphonie geplant, doch nur den ersten Satz fertiggestellt, die als Faust-Ouvertüre unter seiner Stabführung am 22. Juli 1844 uraufgeführt wurde. Folgerichtig steht auch dieses Frühwerk Wagners auf dem Programm. Diesen Satz geht Thielemann kraftvoll an, lässt aber zarte Zwischenspiele und Intervalle zu, und akzentuiert den Farbenreichtum dieser musikalischen Schöpfung.

Mit dem Gebet des Rienzi - Allmächt‘ger Vater - hat der Tenor Jonas Kaufmann seinen ersten Auftritt bei diesem Konzert. Und das Gebet hat es in sich. Kaufmann hat hörbare Schwierigkeiten zu Beginn des Gebetes. Der Ansatz klingt kehlig, die Vokale werden tief hinten angesetzt, sein abgedunkeltes Timbre klingt irgendwie unnatürlich. Doch kaum wird es dramatischer, muss Kraft in die Höhen gelegt werden, macht die Stimme auf und es erklingt der kraftvolle Heldentenor. Und natürlich gibt es schon für diesen Auftritt großen Applaus. Den ersten Teil des Konzertes beschließt die Ouvertüre zur Großen Tragischen Oper Rienzi, am 20. Oktober 1844 im Königlichen Hoftheater in Dresden uraufgeführt. Thielemann dirigiert furios, achtet auf schnelle Tempowechsel, im Finale fast schon großes Marschtempo. Er swingt dabei am Pult, und strahlt dabei eine genial lässige Größe aus, die schon beeindruckend ist.

Mit dem Vorspiel zur Romantischen Oper Lohengrin beginnt der zweite Teil des Konzertes. Lohengrin wurde zwar 1850 in Weimar unter Franz Liszt uraufgeführt, doch erfolgten die Hauptarbeiten an diesem Werk von 1846 bis 1848 in Graupa bei Dresden. Das Vorspiel zum ersten Aufzug macht deutlich, wie Thielemann seinen Wagner interpretiert. Sphärisch, ja fast kammermusikalisch ertönt es aus dem Orchester, zart und innig die Motive Elsas, bis die Spannung immer weiter aufgebaut wird und das Fragemotiv drohend und schicksalhaft symphonisch erschallt, um dann wieder in fast sphärische Klänge zu transkribieren. Es ist faszinierend zu sehen und zu hören, wie Thielemann immer wieder die großen symphonischen Momente aufbaut, bis die Spannung sich explosionsartig im Crescendo löst und in unterschiedlichen Farben und Phrasierungen ganz im Dienste des Musik-Dramas steht. Die anschließende Gralserzählung singt Jonas Kaufmann in der Urfassung, die von Wagner selbst noch vor der Uraufführung um die auf die heute bekannte und gespielte Version gekürzt wurde. Und wieder ist der sängerische Eindruck zwiespältig. Kaufmann beginnt die Erzählung im extremen Piano, wechselt ins Falsett, was nicht seine typische Stimmlage ist. Doch kaum geht er ins Forte, nimmt die Stimme den markanten Kern wieder an, und im zweiten Teil der Erzählung kommt dann sein schöner tenoraler Glanz und fast schon italienischer Schmelz zum Tragen. Es gibt großen Jubel für diese sicher einmalige Darbietung der Gralserzählung.

Musikalisch und stilistisch erfolgt nun ein Zeitensprung um 150 Jahre. Fraternité, Air pour l’orchestre, von Hans Werner Henze wurde als Milleniums-Auftragswerk am 11. November 1999 in New York unter Kurt Masur uraufgeführt. Es ist eine große symphonische Dichtung, die etwas schwermütig und melancholisch erscheint. Thielemann betont die dunklen Farben, und die warmen Streicher verschmelzen symbiotisch mit den Bläsern zu einem großen füllenden Raumklangerlebnis.

Kaufmanns dritter und letzter Auftritt an diesem Abend ist auch sein stärkster. Die Romerzählung des Tannhäuser ist der Höhepunkt des Abends. Kaufmanns baritonal gefärbter Tenor ist kraftvoll in der Mittellage, stark in den Höhen und mit großem Ausdruck in den dramatischen Ausbrüchen. Endlich hat die Stimme ganz aufgemacht, und seine Strahlkraft ist imponierend. Die Romerzählung ist von derart erschütternder Intensität, dass man fast meint, die Zerrissenheit des Tannhäuser körperlich zu spüren. Zu Recht gibt es nach dieser großen Erzählung frenetischen Jubel für Kaufmann. Mit der Ouvertüre zu Tannhäuser, natürlich in der Dresdener Fassung von 1845, endet das offizielle Programm. Es ist ein großes, festliches Dirigat, bei dem vor allem die Pilger und Sängermotive des Vorspiels wunderbar herausgearbeitet werden. Und natürlich entlässt das begeisterte Publikum das Orchester noch nicht. Die Parketttüren öffnen sich, die Damen und Herren des Staatsopernchores unter Pablo Assante ziehen seitlich auf, und als Zugabe erklingt der Einzug der Gäste - Freudig begrüßen wir - auf die Wartburg aus dem zweiten Aufzug des Tannhäuser. Und das ist zum Schluss wirklich große Oper, mit einem fulminanten Klang und opulenter Musik.

Die Sächsische Staatskapelle Dresden unter Christian Thielemann, der Staatsopernchor und Jonas Kaufmann werden minutenlang frenetisch gefeiert. Und draußen auf dem Theaterplatz können tausende Dresdener Bürger dieses Konzert auf einer Großleinwand kostenfrei verfolgen. Richard hätte es sicher gefreut.

Andreas H. Hölscher





Fotos: Matthias Creutziger