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Ergreifend schön
Diese Produktion besticht durch die durchgängig glückhafte Ästhetik, in der sich Bild und Gesang, Kostüme und Choreografie zu einem geschmackvollen Ganzen vereinen. Die Tanztheaterchefin am Staatstheater Darmstadt, Mei Hong Lin, hat in ihrem spartenübergreifenden Ansatz der Oper Orpheus und Eurydike von Christoph Willibald Gluck zu einem wunderschönen Gesamteindruck verholfen, der einer großen mythologischen Liebe Wahrhaftigkeit zumisst. Fernab von Kitsch, fernab von aufgesetzter Modernität, sondern mit feinem Gefühl für die Seelenqualen der beiden Protagonisten, zu denen sich als Motivator der Handlung noch der liebreizende Amor gesellt. Ihm verdanken Orpheus und seine immerhin zweimal gestorbene und wiedererweckte Eurydike ihr Glück im Happy End.
Die Bühne von Dirk Hofacker zeigt mittig einen Haufen aus Laub und Blüten, der u-förmig eingerahmt wird von einer Art Laufsteg. Dahinter noch einmal ein erhöhter Steg, auf dem wie ein Schemen die entrückte Eurydike sichtbar wird. Kein Höllenschlund, sondern eher ein ätherisches Nichts, vor dem Orpheus seine Klage anstimmt; die Tänzerinnen und Tänzer illustrieren und kommentieren das Geschehen, wobei Mei Hong Lin der Spagat gelingt, die Compagnie im Vordergrund tanzen zu lassen, ohne dass sie sich in den Vordergrund drängt. Da wechseln Zeitlupe mit Ekstase, Furien-Furor mit dem finalen Charme der Amor-Adjudanten. Einzig die manchmal repetitiv wirkenden Bewegungsabläufe mögen hier etwas stören. Doch die Raffinesse, mit der Blätter und Blüten der Choreografin als zusätzliches Spielmaterial dienen, überzeugt. Bjanka Ursulov verleiht den Figuren mit stilvoll-schlichten, weißen Kostümen Eleganz und Schick.
Gesungen wird nahezu perfekt. Die Amerikanerin Erica Brookhyser singt die große Partie des Orpheus mit geschmeidigem Mezzo in klaren Linien und besticht durch ihr einnehmendes Timbre voll variablen Ausdrucks für Schmerz und Glück. Susanne Serfling hat als Eurydike weniger zu tun, denn sie ist laut Libretto erst einmal tot, ehe die Geister der Unterwelt ein Einsehen haben. Doch die lyrische Substanz und Innigkeit ihres Soprans und ihr ausdrucksvolles Spiel sind passgenau eingebettet. Ein Goldschatz ist der Amor, den Aki Hashimoto mit hellem Sopranglanz und zierlicher Statur auslebt.
Der Chor, eingangs seitlich im Proszenium postiert und im Finale vom Bühnenhintergrund agierend, singt ordentlich, aber nicht umwerfend in der Einstudierung von André Weiss und Markus Baisch. Das Staatsorchester Darmstadt spielt unter Leitung von Martin Lukas Meister einen geradlinigen Gluck, mit Belebung durch dynamische Akzente und bewusster instrumentaler Farbigkeit.
Ein mit 90 Minuten Aufführungsdauer kurzer Opernabend, der über weite Strecken ergreifend schön ist und beim Publikum sehr gut ankommt.
Eckhard Britsch
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