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Fakten zur Aufführung 

TRISTAN UND ISOLDE
(Richard Wagner)
15. Oktober 2011
(Premiere)

Staatstheater Braunschweig


Points of Honor                      

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Aus der Kraft der Musik

Bühnenhohe Plastikbahnen zäunen den Raum ein, nach hinten fällt der Blick auf den schwarzen, endlos scheinenden Raum. Eine rechteckige Deckenlampe liegt zuerst inmitten dieses Raumes, wird dann langsam hochgezogen und taucht die Bühne in kaltes, grelles Licht – bis sie am Ende des dritten Aktes wieder heruntergelassen wird und den Kreis schließt. Diesen schlichten Raum lassen Regisseurin Yona Kim und ihr Bühnenbildner David Hohmann zum Vorspiel ihrer Sichtweise auf Wagners Tristan und Isolde nicht für sich stehen, sondern dabei bereits das gesamte Bühnenpersonal einmal auf- und dann wieder abtreten. Da wäre sicher weniger Aktion mehr Effekt gewesen. Eine würfelförmige Holzkiste wird hereingeschoben, die ist innen mit Satin gefüttert und birgt Isolde als teure Fracht auf dem Schiff. Darin sitzt sie eher im Gewand einer trauernden Witwe – die Kostüme hat Nadine Grellinger entworfen. Ebenfalls ganz in schwarz, wirkt Brangäne wie die strenge alte Jungfer an ihrer Seite. Noch in Folie verpacktes Mobiliar ist offensichtlich die Mitgift Isoldes auf dem Weg zu Marke. Die Herren tragen über schlichten Anzügen schwarze, im Schritt ausgeschnittene Lederhosen, die allerdings weniger seemannshaft wirken. Durch immer wieder geschickte Lichteinwirkungen, gestaltet von Frank Kaster, entstehen durchaus stimmungsvolle Bilder, die Regie ist im ersten Akt ganz an der Geschichte orientiert. Ein schlichter, weiß möblierter Raum, der vor einer Art Wald, von reichlich Abflussrohren durchzogen, schwebt, markiert Isoldes Gemach im zweiten Akt. Auch da gibt es immer wieder ästhetisch ansprechende Effekte zu sehen. Eine über allem schwebende Diskokugel, die sich zu drehen beginnt, wenn die lange Szene zwischen Tristan und Isolde sich ihrem Höhepunkt nähert, wirkt allerdings etwas kitschig. Warum in eben dieser Szene die beiden Protagonisten sich mit Glasscherben ihre Pulsadern aufschneiden und dann an den weißen Wänden des Raumes eine schwarze Flüssigkeit herunterläuft, hinterlässt Fragezeichen im Kopf. Ebenso, dass Melot am Ende des Aktes nicht etwa den Zweikampf mit Tristan sucht und ihm das für den dritten Akt so bestimmende Siechtum zufügt, sondern sich abwendet. Dass Yona Kim die Farbe des Blutes eher mit schwarz assoziiert, taucht immerhin im dritten Akt – der Bühnenraum ist der des ersten – wieder auf. Ein paar Unstimmigkeiten bleiben also zurück in Kims Regie, die in der großen Linie doch erkennen lässt, dass ihre Erzählweise aus der Vorlage heraus entwickelt ist. Der Inszenierung ist kein abstraktes theoretisches Gerüst übergestülpt, keine um jeden Preis erzwungene Aktualisierung oder Politisierung des Stücks. Die Regisseurin erzählt die Geschichte in der großen Linie verständlich, die Übertitelung ist dafür eine hilfreiche Zutat. Gute Effekte aus Licht und Schatten sorgen für einige im Gedächtnis bleibende Bilder.  

Dass in Wagners wohl handlungsärmstem Werk das Orchester einer der wichtigsten, wenn nicht der wichtigste Protagonist überhaupt ist, kostet Braunschweigs Chefdirigent Alexander Joel in vollen Zügen aus. Da leuchten, funkeln und blitzen die Farben, da kommen ebenso die abgründigen, düsteren und schroffen Facetten der Partitur zur Geltung. Joel scheut sich nicht vor satter Dynamik, hat dabei jedoch immer ein sensibles Ohr für die Bühne und lässt den Stimmen den Raum, den sie brauchen. Das Staatsorchester folgt ihm dabei mit überwiegend höchster Konzentration, besticht durch Klangschönheit und Präzision.

Das Ensemble dominiert Silvana Dussmann, die hier ihr Rollendebüt als Isolde gibt. Es wäre beckmesserisch, einige Schärfen und mit zu viel Kraft angegangene Passagen in der hohen Lage in Anbetracht einer fabelhaften Gesamtleistung anzumerken. Ihr Sopran verfügt über ein tragfähiges und klangvolles Piano, über eine frei strömende Mittellage und über leuchtende Farben in der Höhe. Verbunden mit einer eindrucksvollen Bühnenpräsenz und intensiver Darstellung, gelingt Silvana Dussmann damit nicht nur stimmlich, sondern in allen Belangen das überzeugendste Rollenporträt des Abends. John Uhlenhopp bringt seine Erfahrung als Tristan gut zum Einsatz, dosiert den ersten Akt noch sparsam, findet im zweiten und dritten Akt zu einigen hochintensiven Momenten. Dass ihm am Ende ein wenig die Kräfte ausgehen, ist verzeihlich, denn auch er hinterlässt als Sänger und Darsteller einen starken Eindruck.

Der ukrainische Bariton Oleksandr Pushniak ist erst seit wenigen Monaten im Ensemble des Hauses und empfiehlt sich, nach einigen bereits sehr guten Leistungen, mit einem großartig gesungenen und anrührend gespielten Kurwenal nachdrücklich für größere Aufgaben in der Zukunft. Sehr souverän und sonor zeigt sich, wie stets, Selçuk Hakan Tiraşoğlu als König Marke. Schade, dass Dagmar Pecková als Brangäne aus dem sonst so famosen Ensemble etwas heraussticht. Ihr Mezzo klingt rauh und belegt, sie kann kaum zu frei gesungenen Passagen kommen, weil die Töne wie festgehalten scheinen. Damit nimmt sie der ohnehin nicht sehr großen Stimme noch mehr an Volumen und hat so die größten Schwierigkeiten, sich gegen das Orchester durchzusetzen. Ihr Wachgesang im zweiten Akt wird unglücklicherweise aus dem Off mikrofonverstärkt und kann durch den zu offensichtlich akustisch verzerrten Klang seine Wirkung nicht entfalten.

Überzeugende Leistungen steuern in den kleinen Partien Tobias Haaks als Hirt und Stimme des jungen Seemanns sowie Orhan Yildiz als Melot bei. Nicht ganz auf gewohnter Höhe singt der von Georg Menskes geleitete Herrenchor seine kurzen Auftritte.

Am Ende gibt es großen Jubel für Silvana Dussmann, viel Beifall für das übrige Ensemble und auch für Alexander Joel und das Orchester. Ein paar Buhs, insgesamt aber eher verhaltener Applaus für das Regieteam um Yona Kim. Musikalisch ist dem Braunschweiger Haus mit dieser Produktion unbedingt ein großer Coup gelungen.

Christian Schütte






 
Fotos: Karl-Bernd Karwasz