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Fakten zur Aufführung 

TRAUMNOVELLE
(Alex Nowitz)
15. Februar 2013
(Premiere am 3. Februar 2013)

Staatstheater Braunschweig


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Erfüllte Träume, unerfüllte Realitäten

Sehnsüchte, das Unterbewusste, Träume und die schwimmende Grenze zwischen ihnen und der Realität sind Themen, die Arthur Schnitzlers Traumnovelle ihren Zündstoff geben. Filmisch von Stanley Kubrick in Eyes Wide Shut verarbeitet, wird die Traumnovelle nun erstmals durch den Komponisten Alex Nowitz für das Musiktheater bearbeitet.  Nowitz' Bühnenwerke setzten sich ebenso wie Schnitzlers Texte, die oftmals die Wiener Gesellschaft des Fin de Siècle thematisieren, mit den Gräben zwischen individuellen Wünschen und gesellschaftlichen Zwängen auseinander. Die Traumnovelle ist ein Auftragswerk, für das er meist kurze, dichte, sehr theatrale Szenen in der Zusammenarbeit mit dem Regisseur David Hermann komponiert hat.

In der Mitte der Bühne steht ein riesiger Felsen. Kein echter natürlich, sondern ein nachgebauter. Wie zwei übereinandergestapelte, kantige Blöcke sieht er aus, wobei der obere Block kleiner ist und nicht ganz so viel Sitz- und Spielfläche bietet. Ein schlichtes, aber durch verschiedene Farb- und Musterprojektionen erstaunlich wirkungsvolles Accessoire, das sich Christoph Hetzer hat einfallen lassen. Für sich steht die Kleidung, die er den Protagonisten auf den Leib schreibt: Albertine im Schlafanzug, ihr Mann und Arzt Fridolin adrett mit Sakko, in schwarze Ganzkörperanzüge und weiße Kittel gehüllt sowie mit blonder Perücke ausgestattet die Orgien-Teilnehmer.

Diese kommen in Fridolins irdischer Welt vor. Er nimmt seinen Platz direkt auf der Bühnenebene ein, Albertines Traumszenen werden symbolisch im oberen Teil des Felsblockes dargestellt. Der junge Arzt Fridolin nimmt jede Gelegenheit wahr, sich bei anderen Frauen interessant zu machen, sein Leben ist ihm zu langweilig und beengt. Er scheitert am Versuch, mit den gesellschaftlichen Normen zu brechen, und schreckt auch vor einer verbotenen Orgie nicht zurück, die damit endet, dass er verbannt wird und eine als Nonne verkleidete Teilnehmerin sich für ihn opfert. Auch Albertine erlebt ähnliche, fast simultane Szenen – allerdings nur im Traum: Flucht, Verführung, Bestrafung des Ehemannes. Im Gegensatz zu Fridolin erlangt sie die persönliche Erfüllung ihrer Träume.

Malte Roesner und Ekaterina Kudryavtseva übernehmen die Titelpartien in der Traumnovelle. Beachtlich, welche Leistung die beiden abliefern. Ihr Zusammenspiel beginnt nämlich mit ballettartigem Tanz und endet auch so, und zugleich haben sie Sing- und Sprechtext. Die szenisch und stimmlich packende Darstellung Roesners als triebsüchtiger Arzt ist brillant. Ebenso großartig ist das Schauspiel Kudryavtsevas, die sich im Traum mit einer dänischen Urlaubsbekanntschaft vereint. Dieser Geliebte sollte eigentlich von Tobias Haaks gespielt werden. Da dieser jedoch krankheitsbedingt ausfiel, übernahm Komponist Nowitz selbst den schauspielerischen und Tenor Arthur Shen den Gesangspart. Und das Zusammenspiel klappt wirklich gut. Moran Abouloff in vielen Rollen, unter anderem die der Prostituierten Mizzi, glänzt besonders mit einem Gesangspart, in dem sie in zwei Sätzen die Vokale weglässt und somit nur in Konsonanten ihre Botschaft vermittelt. Durch die Übertitelung begreift man, worum es geht. Bassist Rossen Krastev, unter anderem als Kostümverleiher, und Countertenor Yosemeh Adjei als Bekannter Fridolins und in weiteren Rollen, spielen durchgeknallte Individuen, die stimmlich außerordentlich gefordert werden. Sie meistern ihre Aufgabe wunderbar.

Alex Nowitz ist es wichtig, zwei gleichwertige Welten zu schaffen, denn Schnitzlers Novelle ist sehr stark durch die männliche Sichtweise geprägt. Er stellt Albertines Welt musikalisch durch ein Quartett, bestehend aus Flöte, Bassklarinette, Violine und Cello dar, das im ersten Rang nahe der Bühne sitzt. Für Albertine hat er sich bestimmte Motive überlegt, die sich immer wieder variiert durch die ganze Oper ziehen. Demgegenüber steht ein zehnköpfiges Ensemble, das sich im Orchestergraben befindet und Fridolins Welt darstellt. Keine leichte Aufgabe für Sebastian Beckedorf, ein Orchester an zwei verschiedenen Orten zu dirigieren und den eingesprungenen Arthur Shen durch seine Partien zu begleiten. Aber der Dirigent hat seine Musiker im Griff, die auch mit ihren eigenen Stimmen für lautmalerische Musik sorgen müssen.

Die Traumnovelle erhält gemäßigten Applaus von einem nicht allzu zahlreich erschienenen Publikum. Zu Unrecht, denn dieses Auftragswerk ist musikalisch und schauspielerisch anspruchsvoll und einfach überzeugend.

Agnes Beckmann





Fotos: Karl-Bernd Karwasz