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Fakten zur Aufführung 

ARIODANTE
(Georg Friedrich Händel)
11. März 2012
(Einmalige Aufführung)

Festival Soli Deo Gloria

Im Staatstheater Braunschweig


Points of Honor                      

Musik

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Sternstunde barocken Gesangs

Ariodante gehört wohl zu den besten aller barocken Musikdramen. Lange Zeit verkannt und vergessen, wurde die Partitur im Rahmen der Hallischen Händel-Ausgabe Anfang der 1960-er neu publiziert. Welch ein Glück, denn sie schenkt dem Braunschweiger Publikum einen überwältigenden Abend im Rahmen des Festivals Soli Deo Gloria. Ariodante bildet hierbei den Abschluss der drei konzertanten Aufführungen von Händel-Opern. Eine Einführung in die Handlung gibt es vor Aufführungsbeginn von Donna Leon. Sie ist leidenschaftlicher Händel-Fan und zudem seit vielen Jahren mit dem Dirigenten des Ensembles Il Complesso Barocco, Alan Curtis, befreundet. Donna Leon beschreibt sehr schön die ungewöhnliche Aufteilung der Oper und das andersartige Verhalten der Protagonisten. Zu Beginn herrscht große Freude, denn Ginevra, die Tochter des Königs von Schottland, und der Ritter Ariodante lieben sich und dürfen heiraten. Erst dann versucht der intrigante Polinesso, durch arglistige Vortäuschung von Ginevras Untreue, Ariodante zu verjagen und selbst an die Macht zu kommen. Ganz im Gegenteil zum eigentlich Erwarteten will Ariodante sich umbringen und nicht etwa seine Geliebte oder den vermeintlichen Liebhaber. Im letzten Akt wendet sich das Schicksal wieder zum Guten und das einstige Paar kann sich vermählen.

Der 78-jährige Dirigent Alan Curtis ist in Topform. Die Musik ist ganz nah an der musikdramatischen Struktur des Werkes, lässt keinen Moment an Intensität nach. Nicht nur Stringenz, sondern auch erlebnisreich gestaltete Spannungsbögen zeichnen das bis zum Äußersten konzentrierte Orchester aus. Die musikalische Umsetzung der ausgedeuteten Seelenzustände und die Atmosphäre in den Ballett-Zwischenspielen sind ergreifend. Alan Curtis sorgt mit abwechslungsreichen Stimmungslagen und Tempi stets dafür, dass die Partitur nie langatmig, sondern für eine Barockoper sogar auffallend bunt und feingliedrig mit schnell aufeinander folgenden Affekten klingt. Das Orchester besticht durch die Ausgewogenheit  von Kraft und zartem Gefühl. Die transportieren auch alle Sänger darstellerisch eindrucksvoll und authentisch.

Die international renommierte Mezzosopranistin Joyce DiDonato, als Star der Aufführung für die Titelpartie angekündigt, hat ihre Teilnahme kurzfristig absagen müssen. Dafür ist die stimmstarke Caitlin Hulcup eingesprungen, die die Rolle des Ariodante bereits unter anderem an der Bayrischen Staatsoper gesungen hat. Mit äußerstem Gefühl besingt sie zu Beginn des zweiten Aktes ihre Selbstmordpläne. Ihre Verzweiflung überträgt sich zum Greifen nah auf das Publikum. Karina Gauvin gibt die Ginevra. Ihr Sopran ist zart und zurückgenommen und dennoch präsent, voll und absolut lupenrein. Beide erzeugen ein feinsinnig-delikates musikdramatisches Netz mit viel wahrhaftigem, anrührendem Gefühl. Auch Sabina Puertolas glänzt in der Rolle der Dalinda. Energisch klingt ihr Sopran in dem Moment der Erkenntnis der bloß vorgetäuschten Liebe Polinessos. In der Rolle des Re di Scozia kann Matthew Brook mit seinem satten Bassbariton überzeugen und auch Nicholas Phan als Lurcanio singt und spielt so überzeugend, dass die Handlungsebene stets plastisch erscheint. Das größte Kompliment ist aber Marie Nicole Lemieux als Polinesso zu machen. Sie versteht es, das intrigenhafte Verhalten darstellerisch so gekonnt herüberzubringen, dass das Publikum zu jeder Zeit dem Handlungsstrang folgen kann und selbst in höchster Anspannung wegen des Endes ist – und alles das in einer konzertanten Aufführung. Der Höhepunkt ist sicherlich die Rache-Arie, die sie wahrhaft lebt und in Gestik und Mimik fabelhaft und einprägsam gestaltet. Ihre Stimmführung ist energisch bis zur äußersten Ausreizung ihrer Präsenz. Sie vermag es, kraftvoll, auch mal trotzig, aber stets mit äußerstem Gefühl zu singen.

Das Publikum ist schon während der Aufführung absolut begeistert. Es gibt immer wieder Szenenapplaus, mit dem auch die Orchesterleistung gewürdigt wird. Am Ende belohnen die Zuschauer die Leistungen aller mit stehenden Ovationen, für die sie wiederum mit zwei Zugaben aus dem Finale belohnt werden.

Agnes Beckmann







Fotos: Andreas Greiner-Napp