Psychodrama
Die „Kathedralen der Arbeit“ im Ruhrgebiet werden immer mehr zu akzeptierten Standorten kultureller Aktion – genutzt von kreativen Künstlern, besucht von einem offen-neugierigen Publikum.
Im Bottroper Malakoffturm – ein restaurierter Förderturm der Zeche Prosper II – erlebt diese Tendenz eine aktuelle Bestätigung:
Peter Maxwell-Davies konstruierte 1980 das legendäre Drama um das unerklärte Verschwinden der drei Wärter des Leuchtturms auf Flannan Isle der Outer Hebrides zu einer imaginativ-geheimnisvollen Kammeroper.
Thomas Grandoch inszeniert in den verlassenen Industrie-Konstruktionen ein Psychodrama im klaustrophoben Raum: Drei Offiziere verwandeln sich – nach einem Verhör im kahlen Gehäuse der ehemaligen Waschkaue – werden zu Protagonisten der verschwundenen Leuchttürmwärter auf engstem Raum. Es geht nicht um religiöse Fragen, nicht um Logistik-Probleme, nicht um „Philosophie“ - es geht um die psychischen Belastungen von drei Menschen auf allerengstem Raum, um ausweglose Befindlichkeiten, mit der unausweichlichen Flucht aus den unerträglichen Zwängen.
Der Initiator des spannenden Abends, Kai Röhrig, leitet das erfahren-kundige Bottroper Kammerorchester zu engagiert-virtuosem Spiel: Die faszinierenden Töne Maxwell-Davies’ werden in ihren Deutungen von Naturgewalten und individuellen Emotionen dramatisch hörbar, der Wechsel von folk-tunes zu „neuen“ Tönen, die spektakulären Crescendi, das Überleiten diverser Instrumenten-Soli, die Kommunikation von Musikern und Sängern gelingt mit imaginativer Wirkung!
Mit den Solisten Hartmut Kühn, Gavin Taylor und Patrick Simper agieren drei Individuen in beklemmender Intensität, intonieren stimm-adäquat, lassen Tenor, Bariton und Bass motivationsgenau ertönen – und präsentieren psychologisch einfühlsame Charaktere – singen frivole Songs, artikulieren komplexe Ton-Konfigurationen mit großer stimmlicher Kompetenz.
Das Bottroper Publikum wandert vom Vorspiel in der Waschkau gespannt in den Fuß des Malakoffturms, versammelt sich um den Spielraum, beobachtet die Bilder der gezielt-irritierenden Hand-Kamera auf einem Monitor mit gespannter Aufmerksamkeit - und dankt den Akteuren mit enthusiastischem Applaus.
Schade, dass es nur zwei Aufführungen gibt.
Franz R. Stuke
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