Mein lieber Schwan
Wagners Ring als tödliche Klamotte auf der Provinzbühne zu Nazizeiten: Jan Demuth führt Wagner-Mythos und Cabaret zusammen, konfrontiert scheinbar „ignorante“ Unterhaltung mit gnadenloser Gewalt, stellt den ideologischen Wagner-Kult gegen die Chansons jüdischer Komponisten.
Zwei Protagonisten stehen vor der überraschenden Forderung ihres Agenten, als Cabaret-„Stars“ Wagners Ring zu interpretieren. Sie retten sich in das, was sie können: Abstruse Geschichten zu erzählen und vertraute Chansons vorzutragen. Das endet – von außen permanent bedroht – mit der gespielten Götterdämmerung und dem Tod der Protagonisten.
Anna Schäfer – attraktives Cabaret-Girl – und Wolfram Boelzle – phantasievoller Entertainer – sind darstellerisch flexibel und überzeugen als zeitgenössische Diseuse und 20er-Jahre-Chansonnier. Sie treffen Ton der Golden Twenties perfekt – lassen aber auch die lastende Angst deutlich werden.
Musiker der Bochumer Symphoniker interpretieren unter dem lustvoll leitenden Harry Curtis die „Unterhaltungsmusik“ der Benatzky, Hollaender und Oscar Straus - gepflegte Salon-Musik, genretypisch, allerdings einen Tick zu beiläufig.
Auf der Bühne ein Riesen-Schwan, mit glühenden Augen, klapperndem Schnabel – zugleich ein imaginierter Drache. Trixy Royeck gelingt ein optisch beherrschendes Theater-Symbol - und ein pyrotechnisch genre-gerechter Schluss!
Sibylle Broll-Pape inszeniert mit viel Verständnis für die Show-Bühne der 20er Jahre, lässt den Protagonisten Raum für imaginierendes Spiel und vermittelt dichte Atmosphäre ideologischer Bedrohung!
Ein aufgeschlossenes Publikum im Bochumer prinz regent theater ist einigermaßen perplex ob der skurrilen Ausgangs-Situation, lässt sich zum Nachdenken herausfordern – und dankt mit zustimmenden Applaus.
„Die Wunde Wagner“ ist das Projekt der Bochumer Symphoniker – Opernnetz wird weiter berichten, was denn über den Mythos Wagner an Neuem erarbeitet werden kann.
Franz R. Stuke
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