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Fakten zur Aufführung 

XERXES
(Georg Friedrich Händel)
11. März 2014
(Premiere am 13. Mai 2012)

Komische Oper Berlin


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Optisch-akustische Bühnenlust

Wer bei der Oper Xerxes ein blutrünstiges Schlachtendrama über den persischen König erwartet, sieht sich getäuscht. Dieses Werk gilt als die fröhlichste, ausgelassenste Komposition Händels voller „ graziöser Heiterkeit“. Händel als Komponist lebensfroher, ja überschäumender Musik, Händelsche Barockmusik, wie sie die barocke Gesellschaft Londons wohl selbst geliebt und genossen hat, ist für ein deutsches Publikum immer noch eine ungewohnte, aber gern akzeptierte Entdeckung. Diesen Händel präsentiert Stefan Herheim in der Komischen Oper Berlin in einer seit 2012 gespielten fulminanten Inszenierung. So viel pralles Bühnenleben, so volle und lustvolle Klänge erlebt der Zuschauer nicht jeden Tag auf der Bühne.

Stefan Herheim nimmt die Freude, die Lust des der viktorianischen Strenge überdrüssigen Londoner Publikums an der opulenten, ja überschäumenden Ausstattung von Theateraufführungen zum Ausgangspunkt seiner Inszenierung einer weit zurückliegenden Geschichte. Es sind nicht die Heldentaten, die Kriege oder die politischen Intrigen jenes sagenhaften persischen Königs Xerxes aus dem fünften Jahrhundert vor Christus, die Händel zu seiner 1738 in London uraufgeführten Oper inspirierten. Xerxes wird für ihn zur Figur, die sich vorzüglich dazu eignet, mit ihm und um ihn eine abenteuerliche, amüsante und unterhaltsame Geschichte um Verliebtheiten, Liebesabenteuer, Eifersüchte, Intrigen und Heimlichkeiten zu spinnen und als bunt bebilderte musikalische Erzählung auf die Bühne zu bringen. Wenn die historische Figur so in den Hintergrund tritt, gibt es für die Handlung – so denn vorhanden – kaum noch Grenzen, wird aus dem roten Faden unvermeidlich eine Folge verwickelter Knäuel, die nur noch mit viel Geschick zu entwirren sind. Diese spielerische Freiheit nutzt Herheim für seine Inszenierung grenzenlos aus: Ob es die herrlich überzogenen Einzelcharaktere sind, die drei Schafe mit einem Hufe-Ballett oder eine Neonschrift, die sich herrlich von einem XERXES in einen SEX REX umformen lässt. Wenn dem Zuschauer dann schon einmal zwischen Xerxes, seinem Bruder Arsamenens, Ariodates und dem Diener Elviro einerseits und den Damen Amastris, Romilda, Atalanta und ihren jeweiligen Herzdamen die Übersicht verloren geht, befindet er sich in bester Gesellschaft. Abgefangene Briefe und schließlich gar Verkleidungen lassen die Beziehungen vollends zu einem Knäuel werden. Wer hier überleben will, „muss dieses Spiel beherrschen“. Auch ein warmherziges Happyend gehört zu solch einer Geschichte, und Xerxes kehrt schließlich reumütig zu seiner Amastris zurück.

Heike Scheele hat die Möglichkeiten der Kostüm- und Bühnengestaltung aus dieser Zeit voll ausgeschöpft. Von den umfangreichen barocken Damengarderoben über die Allongeperücken bis zum wild schäumenden Meer des Bosporus hat sie farblich, bewegungsmäßig und optisch voll zugelangt und ein opulentes, farbenreiches Bühnenbild mit den dazu passenden Figuren geschaffen. Da erscheint Xerxes in einer Goldrüstung, die ihm die Glorie des Sonnengottes verleiht, die persischen Krieger tragen Goldgürtel, und der Engelschor winkt aus einem Wattewölkchen-Himmel ins Publikum. Franck Evin setzt Lichter hinzu, die diese Hingucker stimmungsvoll betonen.

Konrad Junghänel gelingt es ohne Mühe, die Spiellust des Ensembles dem Orchester der Komischen Oper weiterzureichen. Das große Orchester, durch Barockharfe, Cembalo und Theorbe, eine Langhalslaute, ergänzt, zaubert eine luftig-leichte Barockmusik, deren Fröhlichkeit und tänzerisches Tempo auf viele Zuschauer ansteckend wirkt. Die großen Chorpassagen bilden musikalische Säulen der Aufführung. Herausragend ganz besonders die Sängerinnen und Sänger. Stella Doufexis spielt als Hosenrolle den Xerxes und gibt ihm einen leicht dandyhaften Zug, Katarina Bradic überzeugt in der Rolle der Amastris, Xerxes´ Bruder Arsamene spielt ebenfalls eine Frau, alle drei passen mit souveränem Mezzosopran bestens zu ihrer Rolle, Brigitte Geller, Sopran spielt die beherzte Dame Romilda. Hagen Matzeit als Elviro, Diener und Spaßmacher vom Dienst, bildet darstellerisch und musikalisch mit sonorem Bass einen schönen Kontrapunkt.

In ungewohnter Harmonie schaffen Sänger und Orchester, Darsteller und Bühnenbild eine Stimmung, ein Ambiente, das ansteckt und selbst anhält, als der Vorhang schon gefallen ist.

Herheim, Junghänel und das Ensemble haben mit diesem Xerxes gezeigt, wie viel Leben im Genre Oper steckt und welch lebensfrohe Seiten es bei Händel noch zu entdecken gibt. Dass sich nicht alle Besucher mit der hier gezeigten barocken Lebensfreude anfreunden können, zeigen nach der Pause einige leer gewordene Sitze…

Horst Dichanz

Fotos: Karl Forster