Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

WEST SIDE STORY
(Leonard Bernstein)
5. Januar 2014
(Premiere am 24. November 2013)

Komische Oper Berlin


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Verhältnisse in der Großstadt

Vor der Komischen Oper Berlin sieht man viele nach Karten Suchende. Dabei steht weder eine Premiere noch ein besonderes Event auf dem Programm, sondern eine normale Repertoirevorstellung. Gespielt wird die schon 14. Aufführung von Leonard Bernsteins Musical West Side Story, und sie ist wie alle bisherigen ausverkauft. Nach Mozarts Zauberflöte und Abrahams Ball im Savoy ist das nun schon der dritte Regie-Coup von Intendant Barrie Kosky innerhalb von zwei Jahren. Und der Erfolg gerade der letzten beiden Stücke zeigt, dass seine Rechnung aufgegangen ist: nämlich der Operette und dem Musical wieder einen größeren Stellenwert zu verschaffen.

Nun also West Side Story, dieses unverwüstliche moderne Romeo und Julia- Musical, das – und das ist ein besonderer Streich – zum ersten Mal nicht in der üblichen Originalproduktion von Jerome Robbins gezeigt wird, sondern in einer neuen Choreografie und Inszenierung. Für sie benötigt Kosky keine aufwändige Kulisse. Die Bühne ist bis auf wenige, wechselnde Requisiten nackt, die ausgeklügelte Beleuchtung von Franck Evin reicht völlig aus, um die entsprechenden Stimmungen hervorzuzaubern. Was auch bedeutet, dass das Stück nicht mehr auf New York bezogen ist, sondern irgendwo auf der Welt in einer Großstadt spielt, wo sich jugendliche Banden auf ähnliche Art bekriegen. Mit Ausnahme von Tony, der als Zeichen der Unschuld ein weißes T-Shirt trägt, hat Esther Bialas sämtliche Personen, ob zu den Jets oder zu den Sharks gehörend, in dunklen Farben eingekleidet. Es sind alles junge Menschen, die sich nicht nur äußerlich gleichen, sondern auch in ihrem Verhalten und Gehabe. Trotzdem gibt Kosky jeder Figur genaueste Kontur, seine Personenregie ist genauso brillant wie die vor Energie berstende, Aggressivität in Bewegung umsetzende Choreografie von Otto Pichler.

Beide können sich auf ein großartiges Darstellerteam stützen. Es setzt sich zusammen aus einer eigens engagierten Tanzcrew und bewährten Solisten, wie beispielsweise Peter Renz als um Ausgleich bemühter und daran verzweifelnder Doc. Michael Pflumm ist ein idealer Tony mit sympathischer Ausstrahlung und angenehm weichem Tenor. Er macht aus dem Hit Maria keine Shownummer, sondern singt ihn so verinnerlicht, dass es nur zu verständlich ist, wenn er Marias Herz erobert. Sie ist bei Julia Giebel ein burschikoser, natürlicher Typ, der völlig unvermittelt von der Liebe getroffen wird. Wie sie sich im Finale erst aggressiv aufbäumt und letztendlich ob des sinnlosen Todes resigniert, ist ergreifend. Nur dass ihr klarer Sopran bisweilen zu opernhaft klingt, passt nicht ganz. Sigalit Feig ist als Anita ein feuriges Temperamentbündel mit Herz, das gebrochen wird, als die Puertoricanerin von der gegnerischen Gang niedergeschlagen und vergewaltigt wird – eine weitere erschütternde Szene in dieser herausragenden Inszenierung.

Wie ernst die Komische Oper die leichte Muse nimmt, zeigt sich auch daran, dass Koen Schoots auf die volle Original-Orchesterbesetzung zurückgreift. Der Dirigent bringt Bernsteins Partitur zum Sieden, heizt die mit enormer Vitalität musizierenden Instrumentalisten mächtig an, setzt auf rhythmischen Drive und schreckt auch vor Lautstärke nicht zurück.

Nach dem Fallen des Vorhangs spürt man zunächst Ergriffenheit im Publikum, danach bricht kräftiger Applaus aus.

Karin Coper

Fotos: Iko Freese