Tragische Einsamkeit
Das internationale Publikum im Schillertheater wartet gespannt auf den Beginn der Vorstellung. Spanische und englische Wortfetzen sind zu hören, die Menschen tauschen sich über das Stück aus, summen Melodien, nehmen aufgeregt die Plätze ein. Vorfreude auf einen der Klassiker des Opernrepertoires.
Peter Mussbach konzentriert seine Inszenierung von Beginn an auf die zum Tod führende Krankheit der Violetta Valéry. Dieser Düsterkeit entsprechend sind die vorherrschenden Farben des Bühnenbilds von Erich Wonder und der Kostüme von Andrea Schmidt-Futterer Schwarz sowie dunkle Blau- und Violett-Töne.
Ein gespanntes, engmaschiges Netz, das den Orchestergraben und die Bühne vom Publikum trennt, dient als Vorhang-Ersatz und Fläche für Lichteffekte und Videoprojektion. Das kann auch mal stören, weil der Zuschauer das Geschehen auf der Bühne wie durch einen grauen Schleier sieht.
Die einzige Requisite auf einer ansonsten leeren Bühne sind schwarze Stühle, die verschiedenartig genutzt werden. Nicht nur als Sitzmöbel, sondern auch als Podest für den Chor, der sich geschlossen auf die mitgebrachten Stühle stellt, um seine moralische Überlegenheit gegenüber Alfredo und die Demütigung der Violetta zum Ausdruck zu bringen.
Mussbachs Inszenierung ist in der Hervorkehrung der Einsamkeit der Titelfigur stimmig, lässt jedoch die lustige, lebensfrohe und verschwenderische Seite der Kurtisane Violetta außen vor. Dadurch erscheinen dem aufmerksamen Zuhörer einige Teile der Handlung nicht sofort plausibel – zum Beispiel, als Violetta aufgrund ihrer Verschwendungssucht ihren Besitz veräußern muss.
Anna Samuil in der Rolle der Violetta Valéry befindet sich das ganze Stück hindurch auf der Bühne, selbst in den Szenen, an denen sie nicht beteiligt ist. So betont der Regisseur, dass alles Geschehen um ihre Person kreist. Die vor der Vorstellung erwähnte starke Erkältung ist der Sängerin nicht anzuhören. Mit ihrer Stimme, der schauspielerischen Leistung – besonders in der Mimik und Gestik – und einer enormen Bühnenpräsenz füllt sie allein die leere Bühne. Als einzige Person trägt sie ein weißes Kleid, das ein Brautkleid sein könnte und bei bestimmtem Licht auf der dunklen Bühne zu leuchten beginnt.
Auch ihre Partner Francesco Demuro in der Rolle des Alfredo Germont und Alfredo Daza als Giorgio Germont singen und spielen den Raum ergreifend mit viel Kraft und großer Intensität.
Hauptdarsteller und Staatsopernchor unter der Leitung von Eberhard Friedrich sind während der ganzen Aufführung hoch konzentriert, unterstützen sich schauspielerisch und gesanglich gegenseitig und harmonieren sehr gut mit dem Dirigenten Stefano Ranzani.
Die Staatskapelle Berlin hat zu Beginn ein wenig mit der Intonation zu kämpfen, folgt dann jedoch aufmerksam ihrem Dirigenten, der für eine gute Kommunikation zwischen dem Geschehen auf der Bühne und der musikalischen Begleitung sorgt.
Das Publikum belohnt die insgesamt gelungene Aufführung mit begeistertem Applaus, ganz besonders die Leistung der Anna Samuil wird mit stehenden Ovationen gewürdigt.
Manon Kadoke
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