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Fakten zur Aufführung 

FÜR MICH SOLL'S ROTE ROSEN REGNEN
(William Ward Murta)
16. November 2014
(Premiere im Oktober 2011)

Kontakthof, Wuppertal


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Atmosphärisch dicht

Am Rheinischen Landestheater Neuss hat Katharina Schmidt das wunderbare Buch Für mich soll’s rote Rosen regnen von James Edward Lyons mit großem Erfolg inszeniert. Parallel wird das Stück in Wuppertal gezeigt. Im Kontakthof, einem gemütlichen Café, in dem auch alle möglichen Aufführungen stattfinden. Hier gibt es nicht die große Bühne, eindrucksvolle Lichttechnik, Projektionen und eine Band. Die Bühne ist hier eine Nische, die an drei Seiten von grauem Mauerwerk umgeben ist, rechts bietet eine Tür Gelegenheit für Auftritt und Abgang. An der Rückwand und im Zuschauerraum ein paar Scheinwerfer.

In diesem Umfeld hat Kristof Stößel das Bühnenstück mit drei Personen inszeniert. Und siehe da, es funktioniert. Stößel vertraut dabei ganz auf Schauspielerinnen und Musiker. Auf der kleinen Bühne sind lediglich ein Garderobenständer und ein Schreibtisch mit der Schreibmaschine sowie ein paar Utensilien darauf und einem Stuhl dahinter angeordnet. Links vor der Bühne steht ein Klavier. Der Musiker sieht aus, wie man sich einen Pianisten vorstellen mag. Langes, schütteres Haar, das zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden ist, schwarzes Hemd, darüber eine bronzefarbene Seidenweste. Die ältere Hilde tritt mit starkem Abend-Make-up im abgehalfterten Abendkleid auf, die jüngere trägt ein schwarzes Kleid, oben hochgeschlossen, unten läuft es in einem Plissée-Rock aus. Darunter eine schwarze Strumpfhose und Riemchen-Schuhe. Ein Hauch weniger spießig hätte es sicher auch getan. Die sehr künstlich wirkende, blonde Perücke trägt ihren Teil dazu noch bei. Beide Damen tragen beigefarbene Pelzmäntel. So entsteht ein leicht verruchtes Ambiente, in dem die Zeit längst abgelaufen, kein Platz mehr für Sehnsüchte vorhanden ist. Was in Neuss noch eher als Andeutung funktioniert hat – das Exemplarische am Knefschen Lebenslauf für die Karrieren anderer Superstars, nichts anderes war die Knef zu ihrer Zeit – wird bei Stößel zum Prinzip erhoben. Die Sünderin wird hier zur Randnotiz, Der geschenkte Gaul wird in der sinngemäßen Bemerkung „Ich habe einen Haufen Bücher geschrieben“ subsumiert. So entzieht sich das Stück Vergleichen, die ohnehin nicht zu leisten wären, und lässt eine eigene, dichte Atmosphäre entstehen. Was unzulänglich gelingt, ist, die Dinge so in Fluss zu bringen, dass der Charakter der Nummern-Revue vermieden wird. Allzu oft wird nach einem Lied die Bühne abgedunkelt und damit eine eigentlich kaum notwendige Zäsur geschaffen.

Angela Fischer legt ihre Rolle konsequent nicht als Knef-Abklatsch an, sondern eher als den in die Jahre gekommenen Vamp, der über seiner Lebenserfahrung alle Illusionen aufgegeben hat. Selbst die Zigaretten und der Alkohol haben über der Erinnerung ihren Reiz verloren, klingen allenfalls in der Stimme noch nach. Eine ganz eigene Interpretation der Lieder sorgt überdies dafür, dass der Zuschauer lieber der Fischer zuhört, anstatt sie mit der Knef zu vergleichen. Das ist sehr gelungen. Die junge Hilde und Tochter Tinta werden von Melanie Spielmann mit graziler Figur und Bewegung sehr glaubhaft dargestellt. Die Interaktionen von Fischer und Spielmann funktionieren fabelhaft, Pointen werden nicht aufgetragen, sondern kullern wie kleine Perlen von der Schreibtischplatte. Hübsch auch die kleinen Tanzeinlagen der beiden, die dem Stück ein wenig zusätzlichen Verve verleihen.

Am Klavier hat Wolfgang Eichler seinen Spaß. Wenn er nicht gerade die Sängerinnen sehr individuell unterstützt, bleibt ausreichend Zeit für eigene Improvisationen, die den Jazz-Charakter der Musik unterstreichen.

Trotzdem es sich hier um die letzte Aufführung dieses Jahres handelt, sind die Stuhlreihen mit mehr als zwei Dritteln noch überraschend gut besetzt. Und den Zuschauern gefällt es immerhin so gut, dass sie zwei Zugaben „herausklatschen“. Vor allem aber widerlegt dieses Stück die These, dass man das Publikum nur mit knallig-bunten Revues wie Männer gesucht! oder anderem Klamauk auch in kleinere Theater locken kann. Intelligente Stücke, klug inszeniert, mit großartigen Schauspielern besetzt und einer musikalischen Leistung, die auch in ganz kleiner Besetzung begeistert, haben Zukunft. Gerade in einer Stadt wie Wuppertal, in der die Kommune gerade dabei zu sein scheint, die Kultur abzuschaffen.

Michael S. Zerban

Fotos: Kristof Stößel