Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

FAUST
(Charles Gounod)
10. Mai 2014
(Premiere am 11. Oktober 2008)

Wiener Staatsoper


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Ein Teufel zum Niederknien

Gleißendes Licht über der riesigen aufprojizierten Kirchenkuppel, in der die zum Spielball des Teufels gewordene Marguerite in ihrem kleinen Gitterkäfig-Gefängnis auf die Hinrichtung wartet: Zumindest die Erlösungsszene in Charles Gounods Faust an der Wiener Staatsoper hat etwas sehr Berührendes. Viel mehr Positives gibt es aber sonst über Szene und Regie nicht zu berichten, denn die Produktion stand schon von Anfang an unter keinem guten Stern: Bühnenbildner Andreas Reinhardt starb nach Fertigstellung der Entwürfe, die dann von Kristina Siegel, einer Assistentin, die auch für die Kostüme verantwortlich zeichnet, realisiert werden mussten. Regisseur Nicolas Joel erlitt kurz vor Probenbeginn einen Schlaganfall. Zurückgeblieben sind Ideen und Fragmente, die unter Anleitung seines Regieassistenten Stéphane Roche für die Premiere im Oktober 2008 nicht wirklich umgesetzt werden konnten und irgendwie halbfertig wirken.

Und so sieht man auch heute noch drei ausgesprochen hässliche, viereckige, auch durchscheinende und drehbare, karge Elemente, die keinerlei Atmosphäre oder gar Poesie aufkommen lassen und nur ansatzweise durch wenige Versatzstücke eine szenische Verortung andeuten. Wenig zur Stimmung tragen auch die Kostüme bei, die hautsächlich in Weiß-, Schwarz- und Grautönen gehalten sind. Von einer Personenführung verspürt man wenig, vielmehr sieht man kümmerliche, in erster Linie statische Arrangements, etwa des Chores, der meist nur auftritt und abgeht und ansonsten herumsteht, ohne zündende Ideen. Eine Szene, in der jeder Protagonist das tut, was er für richtig hält.

Aber gerade für einen Darsteller wie Erwin Schrott ist so eine Nichtregie ein Segen: Denn er zeichnet diesen Méphistophélés mit kleinen Gesten, teuflischem Grinsen, purem Zynismus und lässiger Dämonie und stiehlt damit allen anderen die Show. Entgegen den ursprünglichen Vorgaben, nach denen der Teufel sehr elegant mit Frack und Cape wie ein Entertainer ausstaffiert war, sieht er aus wie ein „Rocker“. Mit hochgeschorener Frisur und dunkler Sonnenbrille trägt er einen schwarzen Ledermantel mit teils blanker Brust, einen roten Fächer und Stock, Halsketten und Ringe und singt das personifizierte Böse kernig und stimmkräftig mit der gewünschten Dämonie einfach zum Niederknien. Er ist ein Bassbariton, der mühelos durch alle Register marschiert. Piotr Beczala singt den Titelhelden mit geschmeidigem Tenor mit silbrigem Glanz, weichen Lyrismen, herrlicher Phrasierungskunst und beinahe immer mühelosen Höhen. Für Anna Netrebko, die die Rolle weltweit abgesagt hat und noch nicht in ihr Repertoire aufgenommen hat, als Ersatz engagiert, weiß Sonya Yoncheva auch schon anderorts ihre Chance zu nützen. Sie spielt die Marguerite sehr mädchenhaft naiv und singt sie mit einer jungen, gesunden, technisch einwandfrei geführten schönen Stimme, der allerdings nicht alle Spitzentöne gewaltfrei gelingen. Adrian Eröd ist wie schon bei der Premierenserie ein ungemein kultivierter, edeltimbrierter Valentin. Stephanie Houtzeel ist ein feiner, zurückhaltender Siébel, Aura Twarowska eine optisch ideale Marthe mit etwas reifem Timbre und Jonming Park ein kräftiger, angenehmer Wagner. Der stark beanspruchte Chor des Hauses, der von Thomas Lang einstudiert wurde, singt wunderbar homogen.

Und so ist dieser Faust ein absoluter Ohrenschmaus. Das Orchester der Wiener Staatsoper unter dem Premierendirigenten aus 2008, Bertrand de Billy, weiß das raffinierte Parfum von Gounods herrlicher Partitur zwischen Lyrismen, Leidenschaft und spannungsvoller Dramatik ausgewogen dosiert zu versprühen, und ohne zu sehr ins süßliche Sentiment abzugleiten.

Das Publikum jubelt und freut sich, wobei der „böse“ Teufel eindeutig den meisten Applaus abbekommt.

Helmut Christian Mayer

Fotos: Michael Pöhn