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Fakten zur Aufführung 

FÜR MICH SOLL'S ROTE ROSEN REGNEN
(William Ward Murta)
26. September 2014
(Premiere)

Rheinisches Landestheater Neuss


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Aber schön war es doch

Man muss die Knef nicht mögen – viele mochten sie nicht – um dieses Stück zu lieben. Katharina Schmidt hat das Buch Für mich soll’s rote Rosen regnen mit dem Untertitel Hildegard Knef – Ein musikalisch-seelisches Porträt von James Edward Lyons im Rheinischen Landestheater Neuss auf die Bühne gebracht. Sie konzentriert sich dabei auf wesentliche Stationen im Leben der Knef, anstatt die Biografie nachzuerzählen. Für die Kriegs- und Nachkriegsgeneration ist das sicher eine wunderbare Erinnerung, was das Stück aber auszeichnet, ist, dass es so eigenständig funktioniert, dass damit auch die jüngeren Generationen etwas anfangen können.

Hildegard Knef ist durch alle Tiefen und Höhen des Lebens gegangen, die man sich nur irgendwie vorstellen kann. Sie war Multimillionärin und wurde von Gerichtsvollziehern verfolgt. Sie feierte Riesenerfolge als erster Star am amerikanischen Broadway mit Silk Stockings, drehte mit Die Sünderin einen der bekanntesten (Skandal-)Filme der Bundesrepublik Deutschland, wenn nicht weltweit, schrieb mit Der geschenkte Gaul einen Sensationserfolg und tourte jahrelang als „Sängerin ohne Stimme“ durch viele Länder. Auf der anderen Seite hatte sie mit Armut und Krebs zu kämpfen, erlebte glücklose Beziehungen und musste sich jahrelang gegen die Anwürfe der deutschen Presse wehren. Süchte und Sehnsüchte ließen sie nicht zur Ruhe kommen, ehe sie mit 76 Jahren in Berlin an den Folgen einer Lungenentzündung verstarb. Mit diesem „Künstlerleben“ dürfte sie stellvertretend für viele Karrieren bis heute stehen.

Schmidts Inszenierung beginnt im Jahr 1975, da ist die Knef 50 Jahre alt und hat den Gipfel ihrer Karriere erreicht. Ivonne Theodora Storm stattet die Bühne mit einem Podest, Umzugskartons, plüschigen Stehlampen, einem Sessel, einer Schreibmaschine, zwei Flaschen Gin und einem UKW-Radio der 1980-er Jahre aus. Das bringt die Rastlosigkeit der Knef gekonnt zum Ausdruck, auch wenn die als Erwachsene selten mit einer Wohnfläche unter 300 Quadratmetern auskommen musste. Rechts sind die drei Musiker angeordnet, der Pianist sitzt ebenfalls auf einer Umzugskiste, im Hintergrund laufen wenige Projektionen, darunter selbstverständlich Ausschnitte aus Die Sünderin. Ein Monitor im linken Bühnenfeld zeigt zusätzliche Bilder und vor allem atmosphärische Störungen, die dann durch die Projektionen verstärkt werden, ohne allerdings in der Intensität des Spiels großartig aufzufallen. Die Knef tritt in einem hellgrauen Hosenanzug mit weißer Bluse auf, ihr Alter ego, die jüngere Hilde, die später kurzfristig zu Tinta, der einzigen Tochter Knefs, mutiert, trägt wechselnde, der jeweiligen Lebensstation angepasste Kostüme. Erst im Schlussbild, in dem das Podest freigeräumt ist und lilafarbene Neonröhren den großen Auftritt in der Berliner Philharmonie andeuten, treten beide in schwarzer Abendrobe mit mächtig glitzerndem Kollier auf. Im kleinen Rahmen ein großartiges Schlussbild.

Bis dahin aber haben Nadine Nollau als 50-jährige Knef und Emilia Haag als Hilde in verschiedenen Lebensstationen eine Menge emotionaler Täler und einiger Berge zu überwinden. Die Dialogpartnerinnen erweisen sich als ebenbürtig, wenn sie in extrem natürlich wirkenden Dialogen oder über 20 Chansons von den Höhe- und Tiefpunkten der Sängerin, Schauspielerin und Autorin berichten. Wunderbar eingemischt Original-Zitate der Kodderschnauze Knef. Steht in der ersten Hälfte der Kampfeswille der „wilden Hilde“ und ihr Aufstieg im Vordergrund, startet die zweite Hälfte mit der Lebenskrise von Hildegard Knef, aber auch endlich mit dem Titelsong, der bis dahin als Leitmotiv immer wieder auftaucht, tüchtig durch. Da bleibt, ganz ohne Pathos, aber mit viel schauspielerischer Überzeugungskraft kaum ein Auge trocken.

Das liegt neben der wunderbar überzeugenden Inszenierung von Katharina Schmidt auch an der Musik von William Ward Murta, die Klaus von Heydenaber – der Mann am Klavier – für die Musiker und Sängerinnen neu arrangiert hat. Ihm zur Seite sitzen Pavel Kuterbach mit Saxophon und Klarinette sowie Jürgen Michel am Bass. Ohne sich in den Vordergrund zu drängen, gelingt es dem Trio, eine authentische, intensive Atmosphäre zu schaffen, die sowohl die Seelenzustände als auch die Karrierestationen „unserer Hilde“ überzeugend erfasst.

„Das würde James extrem gut gefallen“, raunt ein Besucher seiner Frau in der Pause zu. Und trifft damit den Kern der Empfindungen des – vorwiegend älteren – Publikums im gut besuchten Neusser Theater. Die Zuschauerinnen und Zuschauer finden „ihre Hilde“ in dem Stück sehr gut wiedergegeben, freuen sich am Wiederhören von Ich brauch Tapetenwechsel, Für mich soll’s rote Rosen regnen, Von nun an ging’s bergab oder In dieser Stadt sowie weiteren Gassenhauern. Sie applaudieren frenetisch, sparen nicht mit Jubelrufen und genießen die Zugaben. Auf Neusser Art. Mitsingen oder Klatschen ist da ebenso wenig vorgesehen wie das Erheben von den Sitzen. Angebracht wär’s gewesen. Auch wenn ein Wermutstropfen bleibt: Aber schön war es doch bekommt das Publikum nicht zu hören. Dabei wär’s so schön versöhnlich gewesen.

Michael S. Zerban

Fotos: Björn Hickmann/Stage Picture