Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

BORIS GODUNOW
(Modest Mussorgsky)
23. Juli 2014
(Premiere am 19. Juli 2014)

Badisches Staatstheater Karlsruhe


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Zarendämmerung

Das Volk ist dumpf und dumm, die Klosterbrüder harren in ihrer Klause und wissen nicht genau, was sie eigentlich kopieren, und der Zar meint, er habe gute Absichten. Doch auch das ist ein Trugschluss. Denn Boris Godunow, um die Wende zum 17. Jahrhundert gerade einmal sieben Jahre lang Herrscher aller Reußen, fällt bald in den Wahn. Und ins Selbstmitleid. Alles Elend wird ihm in die Schuhe geschoben, wo er doch das Volk wie ein liebender Vater kleiden, ernähren und mit Wohnraum versorgen wollte. Doch als Zar lebt es sich nicht leicht. Von Intrigen umgeben, von verängstigten Kindern abgelehnt, von Schreckgesichtern gepeinigt, geht die düstere Geschichte ihrem Ende entgegen.

Im Staatstheater Karlsruhe inszeniert David Hermann das musikalische Volksdrama außerordentlich eindrucksvoll. Die Bühne von Christof Hetzer wird durch die absenkbare Decke beengt, um das psychische Gefangensein der Figuren plausibel zu machen. Auch die Kostüme von Christof Hetzer unterstreichen diesen Aspekt, denn „Volk“ agiert in zusammengewürfelten Alltagskleidern, während die Mächtigen im dunklen Anzug vor Zar Boris den Kotau machen oder intrigieren. Und die Schergen der Macht üben ihr Handwerk in Fascho-Montur aus, Bedrohlichkeit wird nun einmal so auf der Bühne gezeigt.

David Hermann führt die Figuren zu eindrucksvollen Charakterstudien. Allen voran Heldenbariton Konstantin Gorny in der Titelfigur, der stimmlich und darstellerisch groß auftrumpft. Das quälende Zerbrechen eines skrupellosen Machthabers schwebt wie ein Menetekel über dem Geschehen. Das wird von der Badischen Staatskapelle und dem riesigen Chor unter Johannes Willig musikalisch ausgezeichnet vorangetrieben und illustriert. Die Kühnheit und die auch robusten Klangideen von Modest Mussorgsky sind die Grundlagen dieser Partitur-Umsetzung.

In weiteren Partien fallen besonders der seriöse Bass von Avtandil Kaspeli als Mönch Pimen und die Intensität der Tenorführung von Andrea Shin als „der falsche Dimitri“ sowie die intrigante Stimmfärbung und Spielkunst von Matthias Wohlbrecht als Fürst Schujski auf. Insgesamt singt und spielt das Solisten-Ensemble auf hohem Niveau. Modest Mussorgsky hat zum Leidwesen vieler Zeitgenossen den Frauen eine große Partie versagt. In Karlsruhe fällt das nicht ins Gewicht, weil die atmosphärische Dichte und Psychologisierung der Figuren den Abend über das Normalmaß hinaus tragen.

Das Publikum in der hier besuchten B-Premiere ist zufrieden bis begeistert.

Eckhard Britsch







Fotos: Falk von Traubenberg