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Fakten zur Aufführung 

IL GERMANICO
(Nicola Porpora)
14. August 2015
(Premiere am 12. August 2015)

Innsbrucker Festwochen Alte Musik,
Tiroler Landestheater


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Musikalischer Marathon im Feuerwerk barocker Arien

300 Jahre schlummerte die Partitur dieser Oper in Archiven: Nur einmal kam Il Germanico  1732 zur Aufführung in London. Dort lieferten sich Nicola Porpora und Georg Friedrich Händel einen erbitterten Konkurrenzkampf um die Gunst des Publikums mit ihren Theatern und Opern, der beide in den Ruin trieb. Porpora wurde 1686 in Neapel geboren und in Rom zum gefragtesten Gesangslehrer. Alle großen Sänger seiner Zeit bemühten sich, seine Schüler zu sein, allen voran die berühmten Kastraten Farinelli und Cafarelli. Um deren stimmliche Leistungen gebührend präsentieren zu können, schuf er die wohl anspruchsvollsten barocken Opern. Es wimmelt nur so von artistischen Arien und Duetten, das begleitende Orchester bleibt im Hintergrund.

Alessandro de Marchi, der künstlerische Leiter der Innsbrucker Festwochen Alte Musik, entdeckte das Werk und stemmt nun mit einem erlesenen internationalen Sängerensemble die anspruchsvolle Umsetzung. Somit können die Festwochen wieder einmal eine Aufsehen erregende Rarität präsentieren. Der Stoff ist typisch für die Barockzeit. Ehrenvolle Helden der Antike kämpfen um ihre Ehre und lassen Milde walten, Liebespaare kämpfen um ihr Glück, die Handlung ist gespickt mit Intrigen und Irrungen. Hier stehen sich der römische Feldherr Germanico und der germanische Herrscher Arminio gegenüber. Von den Römern geschlagen, unterwirft sich das germanische Volk, vertreten durch die Fürstenfamilie von Segeste, den Römern. Nur seine Tochter Rosmonda und ihr innigst geliebter Gatte und Führer Arminio widersetzen sich. Alle Bemühungen, die beiden zur Unterwerfung zu überreden oder zu zwingen, scheitern. Erst die Drohung, deren gemeinsamen Sohn ein Leben lang in den Kerker zu werfen, bringt die Umkehr und führen zum glorreichen Finale.

In knapp fünf Stunden, bei zwei Pausen, wird diese Handlung in der szenischen Umsetzung durch den Regisseur Alexander Schullin und seinen Bühnenbildner Alfred Peter lebendig. Weniger ist mehr an diesem Abend. Auf der Drehbühne werden einfache, aber klare, ästhetische Bilder gestaltet, ein Park, ein großes Treppenhaus, eine geschmackvolle Palastfront. Elegante, barocke Kostüme mit üppigen Perücken zieren die Darsteller, die sich gebieterisch und gestenhaft bewegen. Die Musik, insbesondere der Gesang, steht im Vordergrund. Hier zeigt sich das Genie Porporas, der in Duetten und Arien, aber auch sehr ausgeschmückten Rezitativen die Gefühlswelten, die Begierden und Interessen der Handelnden wohl umspielt kleidet. Lang ausgesungene, mit Wiederholungen gespickte Arien verstärken die expressive Musik und zehren an der Konzentration des Publikums.

Aber die Sänger, allen voran Patricia Bardon und David Hansen, ziehen es in ihren Bann. Die Irin verfügt über einen dunklen Mezzosopran, dessen breite Spannweite und Flexibilität bis zum Alt reicht. In der Hosenrolle des Titelhelden bringt sie ihre stimmlichen Möglichkeiten voll zur Geltung. Koloraturen in allen Lagen beherrscht die ehemals jüngste Siegerin des renommierten Cardiff-Gesangswettbewerbs genauso wie lyrisch ausufernde Kantilenen im tiefen Ansatz. Mittlerweile ist sie eine gefragte Sängerin auf allen großen Bühnen und erklärte sich erst vor kurzem bereit, für die erkrankte Sonia Prina in dieser schweren Rolle einzuspringen. Nicht minder brillant Countertenor David Hansen, der hier die für den Barockstar Cafarelli komponierte Rolle des tragischen Helden Arminio übernimmt. Aus der Geschichte heraus ist seine Partie geprägt von Wehmut und Schmerz, den er in ausgedehnten Klagegesängen, angereichert mit hohen Koloraturen, verarbeitet – für Countertenöre eine unglaubliche, körperliche Anstrengung mit höchster Konzentration, damit die Stimme nicht einfällt. Aber bis zum Ende wirkt er strahlend, seine Stimme leicht, ohne Druck, ausbalanciert in Lautstärke und Artikulation. In den anderen Rollen überzeugen ebenso Klara Ek als Rosmunda mit ihrem feinen, Dramatik und Lyrik wohldosierenden Sopran als auch Carlo Vincenzo Allemano als ihr ränkespielender Vater Segeste mit vollem Tenor. Ein weiterer Counter, Hagen Matzeit, bringt als Römer Cecine noch mehr barocke Klangfarbe und Esprit. Emilie Renard als seine angebetete Ersinda, die Schwester Rosmondas, bleibt hierbei biedermeierlich einfach gekleidet.

Die Spitzenleistung der Sänger unterstützt vorbildlich de Marchi. Trotz großem Barockorchester bleibt die Begleitung unaufdringlich tänzerisch schwerelos. In der fanfarengleichen Eröffnung des Abends und der anschließenden Ouvertüre  setzt er die Akzente. Er lässt es im barocken Klang fließen, ruhig und ohne viel Gestik im Dirigat, spielt auch am Cembalo und führt so alle Stimmen aufmerksam zusammen. Hier sind viele Proben in der Vorbereitung erkennbar. Am Ziel des Marathons erwartet ein großer Beifall alle Mitwirkenden.

Helmut Pitsch

 

Fotos: Rupert Larl