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Fakten zur Aufführung 

PHAEDRA
(Hans Werner Henze)
13. März 2015
(Premiere)

Bühnen Halle

Points of Honor                      

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Liebe lässt Liebe verlöschen

In der griechischen Sagenwelt findet Hans Werner Henze mit seiner Vorliebe für märchenhafte Stoffe aus fremden Mythologien zahlreiche Figuren und Konfliktkonstellationen für seine Musikwerke. So ist es kein Wunder, dass der Stoff um die götternahen Theseus, Phaedra, Artemis und Hippolytos und der Sagen umwobene Minothaurus ihn zu seiner 14. Oper inspiriert, in der es um menschliche Begierden, Schwächen und die schwarze Gewalt „in uns selbst“ geht. In dem Lyriker Christian Lehnert findet er den Librettisten, der mit der nötigen Freiheit und sprachlichen Kompetenz den Figuren ihre historischen Fesseln abstreift und sie zu Trägern von Menschlich-allzu-Menschlichem macht. Die Götter werden den Menschen immer ähnlicher, „die Schatten im Schatten“ sind gegen Schluss nicht mehr zu unterscheiden.

Henze kommt mit wenigen Charakteren aus, die Hauptpersonen sind mehrfach miteinander verbunden. Als dunkler Bariton, quasi als basso continuo, ist Minothaurus, die Verkörperung der „schwarzen Gewalt“, immer mit von der Partie. Bei seiner Konzertoper lässt sich Heinze von Vorarbeiten des Euripides, Racine, und d´Annunzio inspirieren. Neben bedrohlichen Tonfolgen und melodisch- zärtlichen Akkorden greift Henze zu „extremen Klangzusammensetzungen, Reibungen, schrill und schmerzhaft“. Für ein Happy End ist in Phaedra kein Platz.

Hippolyt, der gestählte Naturbursche, ständig begleitet von Laptop, Axt und Bogen, hat großes Interesse an Artemis, Göttin der Jagd. Das gefällt Phaedra nun überhaupt nicht, die ihn heiß begehrt. Theseus tötet zur Klärung der Nachfolge seinen Sohn, doch Artemis findet Mittel und Wege, sich „ihren“ Hippolyt wieder zusammen zu bauen und ihn nun, ganz römisch Virbius zu nennen. Er wie sie wechseln ständig zwischen der Ober- und der Unterwelt und versuchen vergeblich, sich durch einen Sicherheitsgurt vor dem sicheren Absturz in den Hades zu schützen.

Sebastian Hannak hat mit einer originellen und treffsicheren Bühnenausstattung das Minothaurus-Labyrinth mit weißgrauen Quadern auf die Bühne geholt, die, immer wieder gedreht und anders beleuchtet, dem Zuschauer schon einmal die Orientierung nehmen oder ihn in eine mehrstöckige Wohnkaserne versetzen. Zahlreiche originelle Ideen lockern die eigentlich düstere Geschichte auf, etwa wenn der von Theseus abgeschlagene Hippolytkopf auf dem Sofa drapiert das Geschehen kommentiert. Doch dann tritt Hippolyt in rosarotem Kleid, quasi neu erschaffen hinzu, langsam geht die Übersicht verloren, die Grenzen zwischen Göttern und Menschen beginnen sich in ihren Leidenschaften aufzulösen. Zum Schluss erscheinen alle Figuren im gleichen roséfarbigen Kleid und mit blonder Perücke und sind kaum zu unterscheiden, Personen und Rollen lösen sich auf, es ist … wie im wirklichen Leben. Lediglich der übermächtige Minothaurus gehört deutlich sichtbar zu einer anderen Welt.

Die durchweg hellen Stimmlagen von Olga Privalova als Phaedra, von Ines Lex als Aphrodite, der Artemis von Countertenor Michael Taylor und Robert Sellier als Hippolyt geben der Musik einen jenseitig verfremdeten Klang, aus dem der schwere, dunkle Bariton von Ulrich Burdack als Minothaurus heraus klingt.

Die verkleinerte Staatskapelle Halle unter Leitung von Robbert van Steijn präsentiert die auch schon einmal spröde Musik von Henze mit leichter Hand, großer rhythmischer Genauigkeit und zurückhaltendem Ausdruck und schafft dennoch eine ausgesprochen dichte musikalische Atmosphäre, in der immer wieder Henzes Schlagwerkpassagen mit erweitertem bruitage hervor klingen. Dieser Musik zuzuhören, wird immer mehr zum Vergnügen.  

Das Premierenpublikum ist begeistert und bedankt sich mit minutenlangem Beifall. Orchester und das Regieteam erhalten völlig zu Recht Extraapplaus. „Ich habe es schwer mit dieser Musik“, bekennt Henze in dunklen Stimmungen, die ihn bei schwerer Erkrankung immer wieder belasten. Seine Musik verrät nichts davon, sie kommt leichtfüßig, originell und in ungewohnten Klangfarben daher.

Horst Dichanz

 







Fotos: Anna Kolata