Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

TOSCA
(Giacomo Puccini)
18. Oktober 2014
(Premiere)

Opernhaus Graz


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Seltsamer, finaler Surrealismus

Per me si va nell’ eterno dolore – Durch mich geht’s ein zur endlosen Qual: Dieser Spruch aus Dantes Divina comedia prangt in riesigen Lettern auf den Wänden der mit goldenen Mosaiken und Ikonen verzierten Kirche. Ein Zitat, das offenbar eine Anspielung auf den bösartigen, perversen und alles zerstörenden, römischen Polizeichef sein soll. Der gedrungene Kirchenraum schaut eher aus wie eine byzantinische Krypta denn wie die katholische Kirche Sant’Andrea della Valle in Rom, dem Originalschauplatz des ersten Aktes. Der Eingang der Kapelle der Attavanti wirkt wie ein Abgang in einen Keller oder in eine Gruft. Hier lässt man am Grazer Opernhaus den ersten Akt der neuen Produktion von Giacomo Puccinis Tosca spielen. Extrem nüchtern und beengt ist dann im zweiten Akt das weiße, schmucklose Verhörzimmer Scarpias mit nur einigen Fenstern, einem Schreibtisch und zwei Sitzgelegenheiten, die Bühne stammt von Alfred Peter. Beide Bilder werden im letzten Akt zusammen kombiniert. Von großer Eleganz sind die Kostüme, die Bettina Walter erdacht hat.

Während Regisseur Alexander Schulin die beiden ersten Akte klassisch konventionell ablaufen lässt, wobei die Figurenzeichnung durchaus glaubhaft, aber nicht geschärft ist, ist der letzte Akt, vermutlich um eine Neudeutung versucht, surreal und wie Traumsequenzen, mit dem Wunsch, Vergangenes rückgängig zu machen, angelegt. Fahl beleuchtete Personen gehen rückwärts, kommen und verschwinden wieder. Von Anfang an sieht man Tosca in ihrem roten Kleid als Projektion im Hintergrund nach Ihrem Sprung durch die Luft schweben. Schließlich erklimmt sie tatsächlich den Schreibtisch des Scarpia und springt nach hinten. Insgesamt wirkt das alles etwas verkrampft, und es fehlt an packendem Realismus. So wirken auch die Folterszene und die Ermordung Scarpias recht harmlos.

„Vittoria, vittoria!“ Strahlend, mühelos, kraftvoll schmettert er die extremen Spitzentöne und die Freude über den Sieg Napoleons bei der Schlacht von Marengo hinaus, nachdem er triumphierend Scarpias Schreibtisch erklommen hat und bevor er von den Schergen des wütenden römischen Polizeichefs in die Todeszelle weggeschleppt wird. Dieser Cavaradossi von Demos Flemotomos, dessen ausgesprochen schöner Tenor über viel Schmelz, reiche Emotionen und mühelose Höhen verfügt, ist insgesamt eine ganz große Klasse.

Aber auch sonst wartet Giacomo Puccinis Tosca am Grazer Opernhaus gesanglich mit respektabler Qualität auf, ebenso wie beim Chor des Hauses, der von Bernhard Schneider einstudiert wurde. Andrea Danková ist eine leidenschaftliche Titelheldin mit schönem, nur manchmal zu gleichförmig geführtem Sopran, der in tieferen Lagen tremoloreich klingt. Wilfried Zelinka ist zwar eine elegante, imposante Erscheinung, aber ein viel zu zahmer, zu weich und zu schön singender Scarpia und nicht in der Lage, jemanden Furcht einzuflößen, weswegen man eigentlich nicht verstehen kann, warum seine Schergen vor ihm erzittern. Umut Tingür ist ein solider Angelotti. David McShane ist ein etwas zu witzig bemühter Mesner, Martin Fournier ein idealer, vor Scarpia sehr devoter und ständig Angst habender Polizeiagent Spoletta. Konstantin Sfiris singt den Gendarm Sciarrone und den Schließer sehr orgelnd. Wunderbar singt Nazanin Ezazi die kleine Rolle des Hirten.

Sehr mitreißend und differenziert versteht es Dirk Kaftan am Pult, bei teils breiten Tempi mit ausgereizter und geschärfter Dynamik im Grazer Philharmonischen Orchester spannende Momente, aber auch duftige Klangschönheit und durchhörbare Zartheit zu erzeugen.

Viele bravi des überwiegend begeisterten Publikums und einige, schüchterne Buhs, seltsamerweise für den Dirigenten.

Helmut Christian Mayer







Fotos: Werner Kmetitsch