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Tragödien voller Leidenschaft und schwarzer Luftballons
Nur einen Tag nach einem neuen dreiteiligen Ballettabend der Deutschen Oper am Rhein zieht Gelsenkirchens Ballettchefin Bridget Breiner mit einem Triptychon nach. Hinter dem Titel Sweet Tragedies verbergen sich drei Arbeiten ebenfalls namhafter Choreografen, die an individueller Kreativität und handwerklicher Qualität keinen Vergleich mit der Düsseldorf-Duisburger Konkurrenz zu scheuen brauchen.
Dass sich Bridget Breiner mit einem kleineren Ensemble begnügen muss als ihr Kollege Martin Schläpfer von der Deutschen Oper am Rhein, tut dem glänzenden Eindruck keinen Abbruch. Bewusst sucht sie Stücke im Kammerspielformat aus, die im Kleinen Haus des Musiktheaters im Revier ihre Wirkung nicht verfehlen.
Marco Goecke, Hauschoreograf des Stuttgarter Balletts, an dem auch Bridget Breiner vor ihrer Gelsenkirchener Tätigkeit wirkte, ist an diesem Wochenende sogar in Duisburg und Gelsenkirchen vertreten. In Duisburg mit einer stattlichen Uraufführung, in Gelsenkirchen mit seinem vor zehn Jahren entstandenen Erfolgsstück Sweet Sweet Sweet. Legendär die mit unzähligen schwarzen Luftballons überschwemmte Bühne, durch die sich die Tänzer in bizarrem Halbdunkel wie Fische wühlen und die in ihren unkontrollierbaren Bewegungsabläufen die spontane Dynamik des Stücks verstärken. Motor des Ganzen bleiben natürlich die Tänzer mit ihrer virtuosen, feinmotorischen Hand- und Armarbeit, der Goecke bis heute treu geblieben ist, wie sein neuestes, in Duisburg uraufgeführtes Stück Lonesome George zeigt. Freilich lassen beide zweifellos brillant choreografierte und von den Tänzern beider Compagnies präzis ausgeführte Stücke keine wesentliche Entwicklung Goeckes erkennen. Sollten sich die mikro-akrobatischen Bewegungsmuster lediglich wiederholen, bewegt sich Goeckes Ästhetik auf dem Weg zur Schablone. Das wäre schade.
Als Uraufführung zeigt das Gelsenkirchener Ballett …with the lights on des Mannheimer Ballettchefs Kevin O’Day. Zu minimalistischen Klängen von John Adams und harten Schlagzeugklängen von Julia Wolfe tanzen vier Damen und Herren, darunter auch Bridget Breiner, und testen kraftvoll ihre Beziehungsfähigkeit aus. Teilweise hart und brutal, teils sanft, ergeben sich stets neue Konstellationen.
In die Mitte des 140-minütigen Abends postiert Bridget Breiner eine Neufassung ihres eigenen Balletts The Tragedies of Othello. Eine expressive Auseinandersetzung mit dem Stoff, bei dem zunächst die inneren Konflikte Jagos, ausdrucksvoll von Valentin Juteau getanzt, im Mittelpunkt stehen, bevor zur zärtlichen, allerdings durch einen Kontrabass als Solo-Stimme angerauten Musik der Zigeunerweisen Pablo de Sarasates der tragische Konflikt zwischen Othello und Desdemona in streckenweise verklärte Gefilde geführt wird. Eine sensible, feinnervige Arbeit von hohem, sinnlichem Reiz.
Begeisterter Beifall für die Leistungsfähigkeit eines starken Tanzensembles.
Pedro Obiera
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