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Fakten zur Aufführung 

HERZOG BLAUBARTS BURG
(Béla Bartok)
CARMINA BURANA
(Carl Orff)
11. Juli 2014
(Premiere Blaubart am
26. Dezember 2012)

Tiroler Festspiele Erl


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Effektvolle Klänge

Es gilt als äußert schwierig, Béla Bartóks einzige Oper Herzog Blaubarts Burg , 1911 entstanden und sechs Jahre später in Budapest uraufgeführt, die nach einem alten Märchenmotiv von einem Ritter handelt, der seine Frauen umbringt, wegen ihrer Nichthandlung wirkungsvoll in Szene zu setzen. Zumal der ungarische Komponist auf die eigene Vorstellungskraft des Betrachters setzt. Alle visuellen szenischen Umsetzungen, wie eindrucksvoll oder evokatorisch sie auch sein mögen, schränken somit die Assoziationskraft der eigenen Phantasie ein. Deswegen setzt Gustav Kuhn bei der Wiederaufnahme der anlässlich der Eröffnung des neuen Festspielhauses im Dezember 2012 neuinszenierten Oper auf Reduktion. Der künstlerische Leiter der Festspiele Erl reduziert die äußere Handlung auf ein Seelendrama, auf die psychologische Konfrontation zwischen Blaubart und Judith, betont die erotischen Momente und setzt auf Symbole der an sich symbolistischen Dichtung. So wird etwa Judith zum Schluss wie eine weitere Gefangene in ein goldenes Tuch gewickelt und von den anderen Frauen in den Keller geführt.

Auch die Ausstattung ist eher minimalistisch: Scharfzackig und gefährlich sind die zerbrochenen Spiegel. Sie umgrenzen den Abgang im Boden von Blaubarts Burg, der in einen geheimnisvollen Keller, in eine Unterwelt führt. Es ist das Seelengefängnis, von wo sämtliche verblichene Frauen des Frauenmörders in teils lasziven Kostümen, die von Lenka Radecky stammen, jeweils nach einander erscheinen. Die Burg selbst ist der nur mit schwarzen Tüchern begrenzte riesige, schwarze Bühnenraum, den Jan Hax Halama kreiert hat, der je nach Handlungsverlauf mit verschiedenen und andersfarbigen Lichtstimmungen nur schwach ausgeleuchtet wird, wobei dunkle Stimmungen dominieren.

Bartók ignorierte auch sonst bewusst die meisten zeitgenössischen Opernkonventionen. Neben der kaum vorhandenen Handlung sind auch die beiden Stimmen keineswegs auf herkömmlich opernhafte Weise geführt. Herzog Blaubart wird von Andrea Silvestrelli etwas mulmig, aber sehr markant, mit kolossalem Volumen und großer Tiefe gesungen. Er ist ein dunkler Finsterling. Marianna Szivkova singt die Judith klar, intensiv und fassettenreich. Sie ist eine Domina, die ihn vermeintlich liebt, ihn mit dieser Liebe aber quält und als Druckmittel zur Herausgabe der Schlüssel für die Türen, hinter der sich Geheimnisse verbergen, einsetzt.

Das eigentliche Drama spielt sich jedoch im Orchester selbst ab. Blaubarts innerstes Selbst wird langsam Schicht für Schicht durch eine Reihe von konkreten und sprachlichen Symbolen enthüllt, die sich letztlich einer präzisen Deutung widersetzen, da ihre Wirkung gerade in der unbestimmten Suggestionskraft liegt. Zugleich entwirft der Komponist im Orchester eine Reihe von musikalischen Bildern, die im Laufe der Oper eine phantastisch gefärbte Traumwelt und somit eine einzigartige Synthese von Musik und Drama schaffen. Und beinahe so ist das auch aus dem Graben zu hören. Dort erlebt man das riesig besetzte Orchester der Festspiele Erl unter Tito Ceccherini mit süffigen, hochsensiblen und differenzierten Klängen, mit dunklen Farben und großem Detailreichtum.

Erstmals wurde der einaktigen Oper Bartóks nicht, wie sonst üblich, eine weitere Oper hinzugestellt, sondern als ungemein stimmungsvolles Werk und helles Echo auf die gruselige Burg Carmina burana von Carl Orff.

Das zu den meist gespielten Chorwerken der Moderne zählende, extrem wirkungsvolle Werk des bayerischen Meisters erklingt im Orchester der Festspiele Erl, jetzt nicht im neuen Festspielhaus, sondern im alten Passionshaus mit all seiner mitreißenden, effektvollen Vielfalt klanglicher, dynamischer, melodischer und rhythmischen Erscheinungen. Diesmal steht Gustav Kuhn am Pult. Er hält das Orchester und den homogenen, kraftvoll und gut einstudierten Chor der Festspiele unter der Leitung von Ljudmilla Efimova und Erich Polz, bei dem allerdings die Artikulation insbesondere beim Sopran verbesserungswert wäre, inklusive dem Tölzer Knabenchor in der Einstudierung von Ralf Ludewig, souverän und fest zusammen.

Gefühlvoll phrasierend und glockenrein auch in den vom Komponisten verlangten, schwindelnden Höhen singt Anna Princeva die Sopranpartie. Den extrem hohen und dadurch sehr schwierigen Baritonpart singt Michael Kupfer mit differenzierter Gestaltung und großem Stimmumfang. Markus Herzog interpretiert den auch für einen Tenor in der Höhe kaum singbaren „gebratenen Schwan“ beinahe mühelos.

Das sehr animierte Publikum jubelt in beiden Fällen.

Helmut Christian Mayer

 

Fotos: Enrico Nawrath, Peter Kitzbichler